Rauchschwalben-Aufzucht (1)
Gastbeitrag von Martina Rajes, Sommer 2001 (mit ergänzendem Bildmaterial anderer Fotografen)
Wichtige Vorbemerkung des Wildvogelhilfe-Teams
Bei einigen Vogelarten ist es sinnvoll, nach dem Finden eines Jungvogels nach einem geeigneten Ammennest zu suchen und den jungen Vogel dort hineinzusetzen. Je jünger das Vogeljunge ist, umso größer ist dabei die Aussicht auf Erfolg. Mit ein wenig Glück akzeptieren ihn die Ammeneltern und ziehen ihn mit auf. Insbesondere bei Schwalben ist dies die beste Vorgehensweise und sie ist der Handaufzucht durch den Menschen vorzuziehen.
Aber Achtung: Dies funktioniert nur in einigen Ausnahmefällen und nur bei wenigen Vogelarten und darf nur unter genauer Beobachtung geschehen.
Wichtig ist, ein geeignetes Nest ausfindig zu machen, in dem sich Jungtiere derselben Vogelart befinden, die noch dazu etwa im selben Alter sind. Das Hineinsetzen des Jungvogels muss schnell und möglichst ohne große Unruhestiftung vonstatten gehen. Anschließend muss für mehrere Stunden beobachtet werden, wie die Eltern auf den Neuling reagieren. In etwa 70% der Fälle ist diese Methode erfolgreich.
Vogelarten mit nur wenigen Jungen, wie zum Beispiel Amseln, Sperlinge, Finken, Grasmücken usw., bemerken es meist, wenn ein fremdes Junges im Nest sitzt und sie werfen es kurzerhand heraus. Dagegen gehören beispielsweise Schwalben und Meisen zu denjenigen Vogelarten, bei denen die Einbringung eines fremden Jungtiers in ein Ammennest erfolgreich sein kann.
Nach dieser langen, aber sehr wichtigen Vorbemerkung möchten wir Sie jetzt aber gern dazu einladen, den informativen Gastbeitrag von Martina Rajes zu lesen.
Auf die Schwalbe gekommen – ein Aufzuchtsbericht
Mitte Mai 2001 drückte mir mein Vater plötzlich zwei Vogelbabys mit dem Kommentar in die Hand: „Versuch dein Glück, vielleicht bekommst du sie ja groß!“ Was er mir da gab? Zwei kleine Rauchschwalben, 10 Gramm leicht und fast vollständig befiedert. Wir haben jedes Jahr einige brütende Rauchschwalben auf unserer Diele. Das Frühjahr 2001 war bis dato relativ kalt gewesen. Somit war es recht beschwerlich für die Altvögel gewesen, ausreichend Nahrung für ihre Jungen zu erjagen. Bei den Kleinen handelte es sich überdies offenbar um Halbwaisen. Wir hatten das Nest schon länger beobachtet und dabei festgestellt, dass es nur noch von einem Altvogel besucht wurde, der jedoch kein Futter mitbrachte. Vermutlich wusste das Tier nicht, was zu tun war. Die sechs Jungtiere fielen eins nach dem anderen aus dem Nest, nur zwei überlebten den Sturz. Da hatte ich sie nun vor mir. Und jetzt?
Normalerweise setzten wir verwaiste Jungtiere immer in Ammennester, also in der Nachbarschaft brütenden Rauchschwalbenpaaren, die selbst weniger als sechs Küken hatten – die ideale Lösung. Doch da wir unsere Tierhaltung aufgegeben hatten (meine Eltern sind Landwirte), waren auch die Schwalben weniger geworden, sodass nur noch dieses eine Paar bei uns brütete.
Da die Aufzucht durch andere Altvögel also leider nicht in Frage kam, entschloss ich mich, die beiden von Hand großzuziehen.
Als Nestersatz wählte ich einen Kochtopf, den ich mit Zeitungspapier auslegte. Als eigentliches Nest legte ich ein Küchentuch als Ring in den Topf. In diesem Ring machten es sich die beiden Jungvögel sofort gemütlich.
Schwalben liegen gern hoch. Das ist vor allem wichtig, wenn sie koten müssen. Sie brauchen eine gewisse Höhe als Stimulans, sonst haben sie Schwierigkeiten den Kot los zu werden. Er ist von einer dünnen Haut umgeben und schwarzweiß gefärbt. Sollte das Weiße, also der Urin, nicht weiß sein, stimmt etwas nicht mit dem Tier und man sollte einen Tierarzt aufsuchen. Das Gleiche gilt für ungeformte Ausscheidungen beziehungsweise Durchfall, wenn sie über einen längeren Zeitraum als 24 Stunden auftreten.
Den Topf stellte ich auf die nur leicht eingeschaltete Heizung. Er leitete die Wärme auch die Wände empor, sodass es die Jungvögel angenehm warm hatten. Nun musste Futter her … doch welches? Da es schon recht spät am Abend war, behalf ich mir fürs Erste mit ungewürztem Tatar. Alle zwei Stunden wollten die beiden Vögel eine Pinzette voll Tatar. Um ihnen nicht zu viel Fett zuzumuten, kochte ich auch noch ein Ei und rührte den Gelbkörper darunter. (Anmerkung der Wildvogelhilfe: Tatar und Ei sind als Futter für junge Schwalben ungeeignet, besser sind auf jeden Fall Insekten, zum Beispiel gefangene Fliegen)
Um genau 22:00 Uhr war plötzlich Ruhe und die Kleinen wollten partout nichts mehr fressen. Das irritierte mich erst, bis mein Vater meinte, dass dieses Verhalten eigentlich ganz logisch sei, denn jeden Abend schloss um 22:00 die Dielentür. Dann konnte keiner mehr hinein oder heraus. Demnach konnten auch die Schwalbeneltern kein Futter mehr bringen. Für mich bedeutete es, dass ich die Nächte durchschlafen konnte, was ich sehr angenehm fand.
Hinweis: Wenn man sich junger Schwalben annimmt, muss man sich unbedingt über den Gesundheitszustand der Jungvögel klar werden. Meine beiden waren „nur“ unterernährt. Bei unklarem Zustand eines Jungtiers muss man sofort einen Tierarzt aufsuchen!
Schwalbenarten unterscheiden
Rauch- und Mehlschwalben lassen sich schon als befiederte Jungvögel leicht unterscheiden, obwohl beide eine dunkle Körperoberseite und eine helle Körperunterseite haben. Die Rauchschwalben haben an der Stirn und an der Kehle rötliches Gefieder, dieses Merkmal weisen Mehlschwalben nicht auf.
Weiter geht es mit Teil 2 dieses Erfahrungsberichts: Rauchschwalben-Ernährung.