Kolibris in Deutschland?

Beitrag von Gaby Schulemann-Maier, Team Wildvogelhilfe (mit Abbildungen anderer Fotografen)

Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), © francok35 / Pixabay
Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), © francok35 / Pixabay

Geschäftig schwirren sie von Blüte zu Blüte und tanken Nektar. Dabei scheinen sie in der Luft elegant zu tanzen, hin und wieder fliegen sie sogar rückwärts. Das müssen einfach Kolibris sein, die da durch die deutsche Natur schwirren. Oder etwa doch nicht …? Wo leben die doch gleich in freier Natur? Ach ja, in Mittel- und Südamerika, einige wenige Arten auch in Nordamerika. Auf keinem anderen Kontinent als in den beiden Amerikas leben Kolibriarten, haben wir (hoffentlich!) in der Schule gelernt. Aber was bitte fliegt dann im Sommerhalbjahr durch unsere Gärten, Parks und wilde Blumenwiesen und führt uns an der Nase herum? Es sind Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), also kleine Schmetterlinge, die zur Familie der Schwärmer (Sphingidae) gehören.

Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), © Magdebuerger / Pixabay
Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), © Magdebuerger / Pixabay

Diese Familie überwiegend nachtaktiver Falter umfasst in aller Welt etwa 1.200 verschiedene Arten, von denen 21 in Mitteleuropa heimisch sind – darunter auch das Taubenschwänzchen. Es gehört zu den wenigen Schwärmerarten, die am Tage unterwegs sind. Typisch für Taubenschwänzchen und andere Schwärmer ist ihr dicker, fleischige Körper, der mindestens etwa 2 cm lang ist. Auf der Oberseite ist der Körper fein und dicht behaart, er ist überwiegend grau bis graubraun gefärbt. An den Flanken befinden sich im hinteren Bereich einige weiße Flecke auf schwarzem Grund; am hinteren Körperende tragen die Schwärmer überdies längere Haare, die wie ein Federschwanz aussehen. Unterhalb der Augen tragen Taubenschwänzchen, die auch Kolibrischwärmer genannt werden, einen langen, aufrollbaren Saugrüssel, wie er für Schmetterlinge typisch ist. Zum Trinken von Nektar wird der Rüssel ausgerollt. Circa 36 bis 50 mm beträgt die Flügelspannweite der Taubenschwänzchen. Sind die Vorderflügel in der Ruhestellung eingeklappt, sieht man von oben nur die unscheinbar graubraun gefärbten Vorderflügel. Im Fluge werden die kürzeren Hinterflügel sichtbar, die fuchsrot gefärbt sind.

Taubenschwänzchen treten in Deutschland, Österreich und der Schweiz vor allem im Spätsommer auf, können in manchen Jahren aber bereits im Frühling und Frühsommer beobachtet werden. Ihre Häufigkeit schwankt von Jahr zu Jahr. In ihrem Verbreitungsgebiet trifft man sie sowohl in der unberührten Natur, als auch in Parks, Gärten und sogar an Balkonblumenkästen an. Im Herbst ziehen die Taubenschwänzchen nach Südeuropa. Nur an wenigen, ganzjährig überdurchschnittlich warmen Orten Deutschlands überwintern diese Schwärmer.

Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), © Bergadder / Pixabay
Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), © Bergadder / Pixabay

Aufgrund ihrer rasanten, schnellen und ausgesprochen wendigen Flugweise werden Taubenschwänzchen immer wieder mit Kolibris verwechselt, was durchaus verständlich ist. Meist sieht man sie nur aus dem Augenwinkel an sich vorbei huschen und an Blüten Nektar trinken. Da liegt die Vermutung durchaus nahe, es könne sich bei dem beobachteten Tier um einen der zierlichen Tropenvögel handeln, der möglicherweise irgendwo entflogen ist. Ähnlich wie die Kolibris brauchen die Taubenschwänzchen für ihre gewandten Flugmanöver viel Energie. Sie sind beim Trinken sehr flink und können innerhalb von fünf Minuten mehr als 100 Blüten besuchen.

Übrigens: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie tatsächlich einen Kolibri in der mitteleuropäischen Natur umherschwirren sehen, ist verschwindend gering. Zwar entkommen hin und wieder einige dieser tropischen Vögel aus Liebhaberzuchten oder zoologischen Gärten. Allerdings geschieht dies extrem selten und es ist deshalb im Zweifelsfall davon auszugehen, dass es sich bei dem von Ihnen gesichteten „unidentifizierten Flugobjekt“ um ein Taubenschwänzchen handelt.

Nähere Informationen über das diese Schmetterlingsart und weiteres Bildmaterial – teils mit Abbildungen der Raupen dieser Schwärmerart – finden sich auf den folgenden Webseiten: