Tagebuch eines Mauerseglers

Gastbeitrag von Angelika Blum, Herbst 2003 (mit zusätzlichem Bildmaterial eines weiteren Fotografen)

Bitte beachten Sie: Dieser Gastbeitrag ist keine Anleitung zur Aufzucht, Ernährung und Unterbringung von Wildvögeln. Lesen Sie zu diesen Themen bitte unsere entsprechenden Kapitel unseres Internetprojekts, siehe Navigationsleiste oben auf der Seite.
Mauersegler, © Klaus Roggel via Wikipedia
Mauersegler, © Klaus Roggel via Wikipedia

„Schlag doch einfach mit dem Stock drauf.“
Ziemlich erschöpft von meiner ersten Flugstunde saß ich am Boden und mein kleines Herz schlug ganz schnell ob der Anstrengung. Meine Mutter war nur unweit von mir und fiepte zurück. Sie behütete mich wie ihren Augapfel … Aber auch sie hatte Angst vor den drohenden Worten. Unsanft rüttelte mich ein etwas. Einer, den sie ‚hau doch drauf‘ nannten, piekste mich mit einem Stock. Immer und immer wieder. Wegfliegen konnte ich noch nicht und schnell weglaufen war mir auch nicht möglich.
„Den trete ich mal mit dem Schuh. Vielleicht ist er schon tot.“
Und wieder bekam ich einen Stoß in die Flanke. Stundenlang sollte das Martyrium dauern. Abwechselnd einer nach dem anderen quälten sie mich. Dabei lachten sie und ich hielt mich ganz geduckt und stellte mich tot.

Die dicken grünen Tiere, die ich schon seit Tagen mit mir herumtrug, krabbelten mir über die Augen und saßen in meinem Nacken, verkrochen sich geschickt in meinem Gefieder.
„Bah, der verwest ja schon“, sagten sie und pieksten mich weiter. Ein kleiner Junge, den sie ‚lass das sein‘ nannten, wollte mich auch mit einem Stöckchen umdrehen und sehen was mit mir los sein.
‚Adrian‘ hieß ein großer Junge, der den kleineren wegzog und als einziger Mitleid mit mir zeigte. Auch er dachte, ich würde sterben und riss den Kleineren von mir fort.

„Was soll das“, schrie da auf einmal eine Frau und kam mit einer riesigen Hand auf mich zu. Sie nahm mich sanft und setzte mich in eine Tasche. Es rüttelte und schüttelte ganz gewaltig und die Stunden der Qual waren vorbei. Laut pochte mein kleines Herz und ich fürchtete mich so. Dann setzte sie mich in einen Karton. Ein funkelndes Teil fing an in meinem Gefieder rumzusuchen und entfernte die drei riesigen Käfer.
„Keine Zecken“, rief sie und schleuderte sie weit weg von mir. Patsch, hatte ich einen dicken Wassertropfen am Schnabel. Rein instinktiv fuhr ich meine kleine Zunge heraus und leckte mir den Tropfen ins Maul. Und noch einen und noch einen. Was für eine Wohltat, nach Stunden der Erschöpfung.

„Würmer! Alles Würmer suchen, was Beine hat“, rief die Frau und eine Horde Kinder lief mit Löffeln und Gläsern tosend durch das Haus. Nur wenige Minuten später hielt man mir einen Regenwurm vor die Nase. Völlig ausgehungert sperrte ich so gut es ging meinen Schnabel auf.
„Geht nicht“, rief die Stimme erneut. „Wir brauchen Asseln.“
Und wieder liefen alle aufgeregt und suchten nach Essen für mich.
„PiePie“, rief ein kleines Mädchen und brachte mir der weltenbester Kellerasseln. Diese graugepanzerten Vielfußschweinchen. „PiepPiepPiep“. Ganz weit auf den Schnabel und genussvoll auf der Zunge zergehen lassen.

Alles juckte mich und es kribbelte und krabbelte überall. ‚Was soll das‘ gab mir noch jede Menge zu trinken und setzte mich dann in den Karton zurück. Völlig ermattet schlief ich sofort ein …

Mauersegler Piep nach seiner Rettung, © Angelika Blum
Mauersegler Piep nach seiner Rettung, © Angelika Blum

Eine lange Nacht habe ich hinter mir. Ganz einsam sitze ich in meinem neuen Gefängnis. Schon früh am Morgen habe ich meine Augen aufgemacht und versuche im Dickicht der Dunkelheit etwas zu erkennen. Irgendetwas, was mir bekannt vorkommt. Nichts, es ist wie eine neue Welt.
‚Was soll das‘ hebt mich schon ganz früh auf und nimmt mich in die Hand. Dann werde ich gefüttert. Aber ich habe keinen Hunger. Mir ist alles so fremd und ich schließe meine beiden kleinen Äuglein wieder zu. Die Kellerasseln verschmähe ich und den mir vorgehaltenen Wurm auch.

„Er frisst nichts“, und ein paar Wassertropfen werden mir energisch an den Schnabel gesetzt. Zart streichelt sie mein Gefieder und versucht mein Piepen nachzumachen. Ich denke, da wird sie aber noch üben müssen. Meine Sprache ist das nicht. Ich schließe beide Augen und lasse mich an ihrer Brust nieder. Ihre Hand hält sie schützend über mich. Die ist schön warm. Ich schlafe sofort wieder ein und bin furchtbar traurig.

‚Was soll das‘ sagt, sie würde jetzt den Tierarzt anrufen. Anscheinend tut sie das auch und sie redet von Milbenspray, Fettfutter und Mehlwürmern. Ach, ich habe gar keinen Appetit, möchte nur weiter schlafen. Fühle mich wohl so in ihrer Hand und mache erst mal ein Häufchen auf sie drauf. Noch ein zweimal lasse ich die Prozedur des Fütterns über mich ergehen und verweigere bis auf das Wasser alles, was man mir anbietet.
Vorsichtig geht es wieder in das Gefängnis, und dann höre ich erstmal eine ganz lange Zeit nichts. Alles um mich herum ist stille und ich verfalle in eine Art Dämmerschlaf. Träume von meiner Mutter und meinen Geschwistern. Bewege meine Flügel und schwebe durch die Lüfte.

Es scheinen Ewigkeiten vergangen zu sein, schreckhaft wache ich auf. ‚Was soll das‘ nimmt mich und setzt mich auf einen Tisch. Eine Spritze mit Ameiseniiiiihigittigittbrei wird mir ums Maul geschmiert. Kleine Krümelchen davon lecke ich mit meiner Zunge vom Schnabel. Aber weit aufmachen will ich ihn nicht. Das schmeckt nicht so, wie ich es gewohnt bin. Und außer ein bisschen Wasser nehme ich auch diesmal nichts an.
Sie ist aufgeregt, das kann ich spüren. Obwohl sie ganz leise mit mir redet, fühle ich wie ihre Hand zittert. Feste an die Stäbe gepresst, sitze ich im Käfig. Dann kommt eine dunkle Stimme auf mich zu. Ich werde genau angeschaut. Das Federkleid untersucht und die Flügel gespreizt. Die Flugröhrchen kann man noch gut sehen, das heißt, ich bin noch nicht flugfähig. Und dann wird es furchtbar nass. Mein Schnabel wird zugehalten und die Augen auch. Es zischt und alle meine Federn werden nass. ‚Milbenspray‘ sagen sie dazu, und nass wie ich bin, fange ich furchtbar an zu zittern. Auf meinem neuen Lieblingsplatz drücke ich mich ganz fest an sie und lasse mich wärmen. Manchmal schaukelt es, wenn sie dabei durch die Wohnung läuft.
Noch einige Male an diesem Tag versucht man mich zu füttern, aber es will nicht gelingen.
Die Nacht senkt sich nieder und ich schlafe ein …

„PiepPiepPiep“ … Schon ganz früh am Morgen fange ich mein ‚Gibmirendlichwaszuessen‘-Lied an. ‚Was soll das‘ ist noch im Nachthemd und sieht noch ganz müde aus. Schlurfend kommt sie ins Zimmer und öffnet meinen Käfig. Aber jetzt wird sie staunen. Ich habe mir überlegt, sie zu meiner Mutter zu machen. Na ja, was soll’s, Hauptsache ich kriege endlich was zu futtern.
Ich reiße meinen Schnabel so weit auf wie es geht. Da staunt sie aber nicht schlecht. Sie versucht mir die Krümel in den Schnabel zu schieben. Patsch, das geht alles fein daneben. für eine richtige Vogelmutter muss sie aber noch ganz viel üben. Und, schnapp, schlucke ich ihren halben Zeigefinger und schmatze genüsslich daran. Ich sauge mir das Futter in den Schlund und benutze sie wie einen Nuckel. „Huch“, da hat sie sich aber erstmal erschreckt.

„Wie süß! Wie niedlich! Och, nee! Iiiiiihuiiiihuiiih!“
‚Was soll das‘ ist völlig aus dem Häuschen und säuselt vor sich hin. Das ist in der Tat eine Überraschung. Mampf, und das schmeckt, das ist so lecker. Mehr davon, meeeeeeeeeeeehr.
Der Nachschub ist unermesslich reich und ich futtere mir so ganz genüsslich den Bauch voll. Oh, wie gut das tut. Anschließend rubbelt sie mir recht energisch den Schnabel ab. Und faselt was von Hygiene und Sauberkeit. Schwups, werde ich umgedreht und auch mein Allerwertester wird einer eingehenden Untersuchung unterzogen.
Nee, neee, da ist alles sauber. Wasser gibt sie mir keins mehr, davon kriege ich nämlich nur Dünnflitsch. Und in dem Ameiseniiiiihigittigitt ist genügend Wasser drin. Zum Glück quält sie mich nicht mehr mit den widerlichen Mehlwürmern. Und ich brauche auch keine Kellerasseln mehr futtern.
Frauchen hat sich nämlich schlau gemacht, die sind gar nicht gut für mich. Da ist zuviel Chitin drin. Hat der nette Mann von der ‚Mauersegler e.V.‘ gesagt. Und auf den hört sie jetzt immer. Das erzählt sie mir so alles nebenbei während der Reinigungsaktion.

Gääääääähn, was bin ich müde. Ob ich noch mal bei ihr am Busen schlafen darf? Das ist ja sooo gemütlich. Ja, ich darf. Und eine gute Stunde mache ich ein feines Nickerchen. Eine Stunde genau und ich reiße meinen Schnabel weit auf und nuckle energisch an ihrer Hand. Endlich haben wir eine gemeinsame Sprache gefunden. Und sobald ich nuckle oder etwas heftiger piepse, wird mir das Futter gereicht. Ich halte sie ganz schön auf Trab, aber ihre Tochter hilft so gut sie kann. Füttern, wärmen, saubermachen. Im Stundentakt werde ich so verwöhnt.

Wenn es mir so richtig gut geht und das Futter in meinem Kropf gelandet ist, dann mache ich jetzt immer ein feines Häufchen. Bevorzugt direkt auf ‚Was soll das‘. Sie trägt ständig andere T-Shirts. Mal hellblau, schwarz, blau oder grün, aber ich erkenne sie auch so. Piepen kann sie ja leider nicht, aber dafür gluckert sie mit mir. Ob sie denkt ich wäre eine Ente oder ein Huhn? Na, egal, wenn es ihr Freude macht, dann ist das schön.

Ich werde jetzt noch einige Zeit bei ihr bleiben. Hoffentlich vertrage ich das Futter auch wirklich. Normalerweise soll ich Heimchen fressen, aber die gab’s im Tierladen nicht. Dann esse ich eben Ameisen, Gammarus und andere Insektenlarven. PiepPiepPiep, Zeit für die nächste Fütterung …

Jetzt werde ich den kleinen Kerl erstmal großziehen. Ich hoffe, dass alles gut geht. Anschließend werden wir im Garten fliegen lassen. Wie stand es doch auf einer Website sinngemäß – „Die größte Freude, die du deinem kleinen Freund machen kannst, ist ihn in die Freiheit fliegen zu lassen.“
Ich hoffe, wir schaffen es bis dahin und dann werden wir ihm die Freiheit geben. Auch wenn da so manche Träne laufen wird …

Kletterübungen sind für junge Mauersegler wichtig, © Angelika Blum
Kletterübungen sind für junge Mauersegler wichtig, © Angelika Blum

Wie sagte sie noch, es kommt nur noch ein Teil. Dabei brennt es ihr doch in den Fingern. Sie schweben über der Tastatur, wenn sie nicht grade ihren kleinen Piep auf dem Arm beziehungsweise am Busen hat. Das ist ein mächtig großer Busen und da kann man sich so richtig schön hineinkuscheln. Es ist schön warm da. Eigentlich sieht sie ja immer bekleckert aus.
Von morgens bis abends klebe ich an ihr, auf ihr und bespucke sie. Mache klitzekleine fladenähnliche Haufen und mein Pipi auf sie drauf. Ach, die scheint ja echt nicht zimperlich zu sein. Läuft rum wie ’ne Bauernmagd kurz vom Melken und schlampert mit ihren alten T-Shirts rum. Auf einigen steht ja Hitwin drauf, das sag ich jetzt nur mal so. Weil ich kann ja gar nicht lesen. :)))))))

Mittlerweile haben ‚Was soll das‘ und ihr ‚Hallo‘ jede Menge Internetseiten durchwühlt. Die ‚Mauersegler e.V.‘ hat sich meiner Sache ganz herzlich angenommen und Herr und Frau Mauersegler schreiben ihr jetzt ganz wichtige Mails. Da werde ich zum x-ten Male gewogen, falsch abgelesen, bei 17 Gramm für fast tot erklärt. Setz doch dieses Ding mit den Gläsern auf. Ich wiege 27 Gramm und jeden Tag wird es ein halbes Gramm mehr.

Die Frau matscht allerlei Sachen für mich zusammen. Tatar mit Futtermischung und Zuckerwasser. Alles genau nach Vorschrift, nach Mauersegler-Vorschrift. Die Mehlwürmer aus dem Zooladen hätten mein Tod sein können, bohren die sich ja von innen nach außen und hätten mich bei lebendigem Leib zerstört!
Puuuh, ich bin froh, dass mein Instinkt noch halbwegs funktioniert hat! So’n „Iggggittttbewegtsichdas“ wollte ich auch nicht haben. Sah schon lustig aus, wie sie mir das vor den Schnabel hielt. Tapfer! Ist schon komisch, aber wenn sie mir meine Delikatessen mischt, dann guckt sie etwas verzweifelt. Das klebt nämlich bevorzugt unter ihren Fingernägeln.
Ach lecker, die Ameisenpuppen die sich dann wieder hervorpult mit einem Ausdruck des Ekels. Irgendwie hat sie wohl einen anderen Geschmack als ich. Auf jeden Fall habe ich noch nie gesehen, dass sie auch was von meiner Paste frisst.

Samstag war dann ein ganz trauriger Tag. Ich hatte nämlich überhaupt keinen Hunger mehr. ‚Was soll das‘ wedelte stundenlang mit meinem Futter vor meinem Schnabel hin und her. Ingesamt habe ich wohl so zehn Stunden bei ihr am Busen geruht. Ein nasses Salz rann ihr T-Shirt hinunter und sie sage ganz komische Dinge zu mir.

„Gleich hast du es geschafft“ und „Schlaf schön ein, mein Kleiner“.
„Der bleibt solange auf mir liegen, bis er es geschafft hat.“
Ja, aber was sollte ich denn bloß schaffen? Meine Atmung wurde schneller und mein krankes Auge war ganz geschwollen. Ich schlief mich erstmal ordentlich bei ihr aus. Anschließend nahm ich einen dicken Brocken Futter, der mir im Schlund hängen blieb. Fassungslos riss ich den Schnabel auf und versuchte weiter zu atmen. Aber ‚Was soll das‘ hat ja die Ruhe weg. Mit einem Ding, welches sie Zahnstocher nannte, stocherte sie mir im Schlund herum.
„Soll ich es bloß reinschieben oder rausholen?“ Sie schien sich für Rausholen entschieden zu haben. Bröckchenweise holte sie mir alles wieder raus, einmal runterschlucken und mein Schnabel ging wieder zu. Puuuuuh, erstmal tief Luft holen.
Den ganzen Tag quälte ich mich rum und war mehr tot als lebendig.

Mehr, mehr, mehr …, schrie ich sie an. Endlich hatte sie begriffen, was ich wollte. Mir war genauso heiß gewesen wie ihr. Und vorm Füttern flößte sie mir jetzt erst einmal Wasser ein. Das Futter hatte sie viel mehr mit Wasser verdünnt, und aaaaaaaah, flutschte das fein den Rachen hinunter.

Piep, piep, piep! Hör endlich mit Schreiben auf, ich habe Hunger.
Ja, ja, ja ich komme ja schon. Matsche anrühren und den Kleinen voll stopfen wie eine Gans. :)))))))))

Der Hund Felix und sein gespaltenes Verhältnis zu Mauerseglern …

Ich muss meine Knopfnase rümpfen. Dieser Gestank breitet sich in mir aus, schlägt mir auf die innersten Magenwände. Er piiiiiiiiieeeeeept den ganzen Tag und reizt meine Magensäfte. Immer, wenn Frauchen mal nicht in der Küche ist, dann giere ich mit meinen Blicken in seinen Käfig hinein. Wusstet ihr, wie viel und wie oft so ein kleiner schwarzer Käfer essen muss. Mein Frauchen stand anfangs stundenlang in der Küche rum und rührte seltsame Mixturen an. Voll Ekel anfangs noch schüttelte sie sich und pulte sich stundenlang die Viecher wieder unter den Nägeln vor.

Ja, und dann war Babysitten angesagt. Stundenlang saß dieses Teil auf meinem Frauchen und, pssst, kackte sie auch noch voll! Wisst ihr, wie empfindlich so eine kleine Hundenase darauf reagiert? Aber das schwarze Teil da, das hätte ich doch zu gerne mal zum Spielen gekriegt. Sieht aus wie ein Federwuschel und wenn es satt ist, dann kriecht es bei Frauchen in den Nacken und schläft da. Ppppph, das will ich nicht.

Ich mache mein herzlichstes unverfänglichstes Gesicht und lege ihr treu meine Pfote auf ihr Bein. Halbseitig mehr hängend als liegend, kuschele ich mich an Frauchen ran. Vielleicht kann ich ja so den Stinker erreichen.
„Mein Schätzchen, bist du eifersüchtig? Brauchst du doch nicht, bist doch mein Liebster.“und zack, wendet sie sich von mir ab und füttert den Stinker.
Was hat der bloß, was ich nicht hab? Nur weil der so klein ist, braucht man ja auch nicht so ein Theater machen!

Meine arme Nase, lange halte ich das nicht mehr aus. Und jetzt wird der auch noch gebadet, in meinem Futternapf! Jawoooohl, in meinem schönen roten Napf! „Geh raus da!“, möchte ich sagen, aber ich belle wie blöde und sie versteht mich nicht. Sie versteht mich überhaupt nicht mehr. Ich mache mein dümmstes Gesicht und schlecke ihr die Ameiseniiiiiihigittigiittttpaste von den Fingern. Jetzt lacht sie. Ja, toll. Wenn du wüsstest, dass ich das nur aus Berechung mache. Vorbei die Zeiten, als man mich morgens mit einem Leberwurstbrot weckte. ‚PiepPiepPiep‘ kriegt ja schon um sieben seinen Schlabberbrei um die Ohren und den Schnabel geschmiert.

Grmmmmpf, es wird Zeit, dass mein Spider wiederkommt. Da gibt es wenigstens was Anständiges zwischen die Zähne. Schnitzel, ja das ist was für richtige Männer wie uns …

Der Mauersegler hat zehn Gramm zugenommen und es trennen ihn nur noch acht Gramm von der Freiheit! :))))))))))))))))

Mein lieber kleiner Piep …

Mauersegler Piep wird in die Freiheit entlassen, © Angelika Blum
Mauersegler Piep wird in die Freiheit entlassen, © Angelika Blum

Genau zehn Minuten ist es her, seit ich dir die Freiheit gegeben habe. Ich bin völlig aufgelöst, mache mich schreckliche Sorgen um dich. Dicke Tränen rollen mir übers Gesicht …

Kaum hattest du die Freiheit gesehen, fingst du auf meiner Schulter wie wild an mit deinen wunderschönen Schwingen zu schlagen. Ach, mein kleiner Piep, ich hoffe du schaffst es. Flieg nach Afrika und komm zurück.

Ich habe so Angst, dass du mir verhungerst, den langen Weg nicht schaffst … Glaub mir, mein kleiner Freund, ich hätte dich so gerne hier behalten, aber das wäre kein Leben für dich gewesen.

Keine zwei Minuten hat der Abschied gedauert … Ich werde mir das Bild ganz tief drin irgendwo in meinem Herzen eingraben. Wie du den ersten Flugversuch machtest und sanft im Gras landetest. Ganz aufgeregt warst du und hattest mich im gleichen Moment vergessen. Der dritte Versuch und du startetest wie ein Gleitflieger, der noch nie irgendetwas anderes getan hat als Segeln.

Ein Bild von Mauersegler Piep, das ein Sohn Philipp zum Abschied gemalt hat, © Angelika Blum
Ein Bild von Mauersegler Piep, das ein Sohn Philipp zum Abschied gemalt hat, © Angelika Blum

Mein lieber kleiner Piep. Ich denke, es war richtig so. Auch wenn ich jetzt die bittersten Tränen weine. Heute Morgen schon wolltest du nicht mehr fressen und ich wusste es ist Zeit.

Schau mal, und ich werde immer an dich denken, wie du deinen kleinen Schnabel ganz weit aufgerissen und genuckelt hast wie ein Baby. Ja, zum Schluss warst du ein Vielfraß. Hast gefressen wie ein Ferkelchen, konnte gar nicht schnell genug gehen mit dem Nachschub.

Ich werde dich ganz dolle vermissen, mein Kleiner …

Hab schwindelnde Höhen gesehen,
bin trudelnd durch die Dämmerung,
vorbei die Zeit der Kinderstube,
ich bin ein Geschöpf des Himmels.

Breite meine Schwingen aus ………. ,
sieh nur wie ich fliegen kann,
erreiche fast Sonne und Mond,
bin frei und entschwinde federleicht.

Mein Leben ist die Freiheit,
sieh nur wie ich mich entfalte,
entschwebe und eile hinfort,
der Aufwind nimmt mich mit.

Thermische Winde ………….,
treiben mich höher und höher,
dem Schönsten der Welt entgegen,
der Freiheit der gefiederten Wesen.

Und nun weine nicht mehr um mich!