Handaufzucht von fünf Blaumeisen (3)

Gastbeitrag von Monika Sattler, Herbst 2008

Bitte beachten Sie: Dieser Gastbeitrag ist keine Anleitung zur Aufzucht, Ernährung und Unterbringung von Wildvögeln. Lesen Sie zu diesen Themen bitte unsere entsprechenden Kapitel unseres Internetprojekts, siehe Navigationsleiste oben auf der Seite.

Ende Frühjahr/Anfang Sommer 2008

Dann: Ab ins Internet: Wie eine Irre suchte ich nach Infos über die Aufzucht für Jungvögel. Die Zeit war gegen uns… Ich schickte meine Tochter zum Tiergeschäft, um gefrostete Pinkies (Fliegenmaden) und Heimchen zu holen. Blaumeisen sind sehr schwer aufzuziehen, da sie sehr empfindlich sind und bei falscher Fütterung sterben. Den gefrosteten Heimchen musste man die Hinterbeine entfernen, denn diese haben Widerhaken und können lebensgefährlich für meine Fliegerleins sein. Diesen Job übertrug ich meinem Mann, denn das konnte ich anfangs einfach nicht!

ABER:
WIE FÜTTERT MAN EINEN JUNGVOGEL DER DEN SCHNABEL NICHT AUFMACHT???
Also wieder: AB INS INTERNET!
Auf der Webseite Wildvogelhilfe.org fand ich die gesuchten Infos und sechs Hände schaffen doch so einen kleinen Piepmatz!

In das Wasser, in das ich die gefrorenen Heimchen zum auftauen legte, habe ich Bienen-Blütenpollen aus dem Reformhaus eingerührt. So brauchte ich keine chemischen Vitamine vom Tierarzt! Die Pollen sind reich an Eiweiß mit Enzymfunktion sowie 22 Aminosäuren und haben einen hohen Gehalt an Vitamin B, Provitamin A, Vitamin C und Vitamin E.  In kleineren Mengen kommen noch weitere Vitamine vor. Auf verschiedene Bakteriengruppen (Salmonella, Proteus, Coli) haben die Pollen hemmende Eigenschaften.

Futter und Wasser für die jungen Blaumeisen, © Monika Sattler
Futter und Wasser für die jungen Blaumeisen, © Monika Sattler

Da ich um die Wirkung der Blütenpollen weiß, dachte ich, es kann nicht schaden und sie helfen meinen Babys zu Kräften zu kommen.

Wasser ist im Übrigen genauso wichtig wie Futter!

Wir bekamen in alle übrig gebliebenen sechs Blaumeisen Futter rein und wir fühlten uns, als hätten wir im Lotto gewonnen…

Und nach jeder Fütterung wurden die kleinen Racker mit einem Wattestäbchen, das in lauwarmes Wasser getaucht wurde, von Futterresten gereinigt. Das ist sehr wichtig, da sie sonst Entzündungen bekommen könnten.

Die Pinzette kam versuchsweise auch zum Einsatz, war jedoch erst später als hilfreiches Instrument für die Pinkies (Fliegenmaden) zu gebrauchen.

Anfangs waren die Vogelbabys noch 'hübschhässlich', © Monika Sattler
Anfangs waren die Vogelbabys noch ‚hübschhässlich‘, © Monika Sattler

Unsere Babys haben bald verstanden, dass nun wir die Futterlieferanten waren und die Schnäbelchen gingen von selbst auf, wenn ich mit der Pipette an das Schälchen klopfte. Das war für sie das akustische Zeichen, FUTTER IM ANFLUG und wenn sie das hörten, fingen sie bald an so zu piepsen wie noch vor wenigen Tagen, als sich ihre Eltern mit Futter anmeldeten. Die Schnäbelchen gingen auf und wir konnten füttern…

Übrigens: Blaumeisen – und wahrscheinlich auch andere Vögel – reagieren auf Licht/Dunkelheit und Geräusche, nicht auf Geruch! Diese Fehlinfo, dass Vogeleltern ihre Jungen nicht mehr annehmen, wenn man sie angefasst hat, ist einfach nicht auszurotten! Selbst eine Helferin in der Tierklinik wollte mir dieses Ammenmärchen noch verkaufen.

Nach jedem Bissen drehten sich die kleinen Racker um, streckten das Hinterteilchen in die Richtung wo es zuvor das Futter gab und machten ihr Geschäftchen. Ein weißer kleiner Stinker, der wie in ein etwas schleimiges Säckchen gehüllt war. Er war an einem Stück und musste „abgepflückt“ werden. Bevor wir das Stinkerchen nicht entfernt hatten, drehten sie sich nicht wieder um, sie warteten, bis wir ihre Popöchen sauber gemacht hatten. Das hatten wir auch SEHR schnell kapiert und waren dann bei jeder Fütterung mit Pipette, Pinzette, Löffelchen und Tempo bewaffnet. Nachdem die kleinen Böllerchen abgenommen waren, drehten sich die Vögelchen wieder in Futterposition.

Just als wir glaubten, die sechs „Fliegerleins“ haben es geschafft, lag eines Morgens eines tot im Karton… Tränen flossen, waren es doch inzwischen unser aller Fliegerlebabys. Nun waren es noch fünf! Und die haben wir zu dritt dann auch groß gezogen.

Bald wollten sie nicht mehr in ihren superweichen mit aufgezwirbelten Taschentüchern, Superflausch-Klopapier, Papiertüchern, Moos aus ihrem Nest, das noch ihre Eltern für sie gebaut hatten und Handtuch gepolsterten Karton und haben heftigen Rabatz gemacht!

Also, WO UM ALLES IN DER WELT bekomme ich einen großen Vogelkäfig her, die Teilchen fangen ja irgendwann zu fliegen an. Als erste Notlösung gab es einen Campingtisch, auf dem ich vom Freilaufgehege der Rennmäuse die Gitterstäbe so „gefaltet“ habe, dass es ein ausbruchsicheres Gehege gab, denn schon bald fingen die Kleinen an, aus ihrem warmen weichen Nestchen auszubüchsen um mal die Welt zu besichtigen. Nur, meine kleinen Meischen fanden nicht mehr zurück und hockten dann auf den Wurzeln, die ich ihnen als „Naturersatz“ mit in ihr Gehege legte…

Das Nesthäkchen bekommt eine Extraportion Wärme, © Monika Sattler
Das Nesthäkchen bekommt eine Extraportion Wärme, © Monika Sattler

Nachts kam das Körbchen immer noch in den Karton, denn das war für die kleinen Ausbrecher auf jeden Fall sicherer. Morgens hockten sie dann teils außerhalb des Nestes auf den Papiertüchern. Die zwei Kleinsten kuschelten jedoch immer noch im Nestchen. Es gab einen Chef, das war wohl der Erstgeschlüpfte. Dann drei, die wohl fast gleichzeitig geschlüpft sein dürften und natürlich ein Nesthäkchen, das gerne von den anderen übertölpelt wurde und auch immer nach Wärme suchte. Es war das schwächste Tier, das oft auf die Hand zum Wärmen durfte.

Weiter geht es mit Teil 4 dieses Erfahrungsberichts.