Meisensterben: Tod durch Sutonellen

An Sutonellen erkrankte Blaumeise mit typischen Krusten seitlich am Schnabel, © Rainer Schmidt/NABU-naturgucker.de
An Sutonellen erkrankte Blaumeise mit typischen Krusten seitlich am Schnabel, © Rainer Schmidt/NABU-naturgucker.de

In Deutschland sind verschiedene Meisenarten, darunter vor allem Blaumeisen, derzeit von einer ansteckenden Krankheit betroffen, die eine schwere Lungenentzündung auslöst. Schon im Jahr 2018 fielen in Nordrhein-Westfalen einzelnen Fällen Vögel auf, die mit stark aufgeplustertem Gefieder teilnahmslos auf der Stelle saßen. Näherte man sich ihnen, flogen sie nicht davon. Die Augen hatten sie meist geschlossen, manche Vögel hatten seitlich am Schnabel gelbliche Krusten. Viele der Tiere zeigten typische Symptome für Atemnot wie starkes Schwanzwippen im Takt des Atmens und Luftholen bei leicht geöffnetem Schnabel. Bereits in jenem Jahr haben einige Wildvogel-Auffangstationen entsprechende Patienten gepflegt, ohne zu wissen, mit welcher Krankheit sie es zu tun hatten. Die Verluste waren entsprechend groß.

Mit dem Frühling 2020 begannen sich die Fälle dann zu häufen. Der NABU rief deutschlandweit zu einer Zählung auf. Außerdem wurden verstärkt tote Blaumeisen untersucht. Inzwischen steht fest, dass der Erreger Suttonella ornithocola diese gefährliche Lungenentzündung bei Blaumeisen und anderen Meisen auslöst; mitunter kann es auch zu Darmerkrankungen kommen. Es handelt sich bei Suttonella ornithocola um ein Bakterium, das erstmals im Frühling 1996 in Großbritannien in der Natur bei Wildvögeln nachgewiesen worden ist. Seinerzeit hatte der Erreger in England und Wales zu einem Massensterben unter Meisen geführt.

Diese Blaumeise hat ihr Gefieder stark aufgeplustert, weil sie schwer erkrankt ist - hier sind Sutonellen der Auslöser, © Rainer Schmidt/NABU-naturgucker.de
Diese Blaumeise hat ihr Gefieder stark aufgeplustert, weil sie schwer erkrankt ist – hier sind Sutonellen der Auslöser, © Rainer Schmidt/NABU-naturgucker.de

Derzeit wird vermutet, dass die Sutonellen, wie die Bakterien auf Deutsch bezeichnet werden, durch die Luft übertragen werden – ähnlich wie Erkältungsviren bei uns Menschen über Atem-Aerosole. Das heißt, wenn infizierte Meisen aufeinandertreffen und sich stark annähern, kann es zu einer Übertragung kommen. Vogelkonzentrationen auf engem Raum können deshalb problematisch sein. Wer Futterplätze betreibt, sollte diese idealerweise so ausweiten, dass die Tiere Abstand halten können; wir Menschen kennen es selbst in Bezug auf die Corona-Pandemie. Ob sich der Erreger über das Trinkwasser überträgt, ist dem Wildvogelhilfe-Team derzeit leider nicht bekannt. Wir raten zu einer verstärkten Hygiene der Vogeltränken und Vogelbäder.

Blaumeisen scheinen besonders empfindlich auf den Erreger zu reagieren. Vereinzelt wurden auch an Sutonellen erkrankte Kohlmeisen registriert. Vermutlich kann er auch andere Meisenarten wie Sumpf- und Weidenmeise, Tannenmeise und Haubenmeise befallen. Richtlinien für die Behandlung gefundener erkrankter Vögel gibt es derzeit noch nicht. Sobald uns darüber etwas bekannt ist, werden wir an dieser Stelle darüber berichten. Es scheint so zu sein, dass Breitband-Antibiotika wirksam sein könnten. Welche Wirkstoffe hier zu bevorzugen sind, bleibt abzuwarten. Sicher ist indes, dass ab einem gewissen Stadium der Erkrankung keine Heilung mehr möglich ist. Wenn die Infektion so weit fortgeschritten ist, dass sich in der Lunge Nekrosen gebildet haben, also wenn Gewebe abgestorben ist, dann kann das Leben der betroffenen Vögel nach derzeitigem Kenntnisstand nicht mehr gerettet werden.