Kropfverletzungen bei Wildvögeln

Ein Gastbeitrag von Tanja Kahlert

Der Kropf eines Vogels erfüllt eine wichtige Funktion: Das sackartige Organ ist dem übrigen Verdauungstrakt vorgelagert und leitet den Verdauungsvorgang ein. Bei einigen Vogelarten, beispielsweise Hühnern und Tauben, hat der Kropf auch die Funktion eines Futterreservoirs. So kommt zum Beispiel die Ringeltaube bei sehr gutem Nahrungsangebot mit zwei Futtereinheiten am Tag aus, indem sie ihren Kropf maximal füllt und den Rest des Tages von dem aufgenommenen Futter zehrt.

Verletzungen des Kropfes können in freier Wildbahn unter anderem durch Greifvogelangriffe oder Stacheldrahtverletzungen verursacht werden und sind grundsätzlich behandlungsbedürftig.

Die nachfolgende Beschreibung erläutert die Behandlung der Kropfverletzung bei Tauben. Sie ist – vor allem bezogen auf die Fütterung nach der Operation – nicht zwingend mit Kropfverletzungen anderer Vögel vergleichbar, soll also nur als Informationsgrundlage dienen.

Sofortige Behandlung wichtig

Wer einen Vogel mit einer Kropfverletzung findet, sollte schnellstmöglich einen vogelkundigen Tierarzt aufsuchen. Das bezieht sich nicht zwangsläufig auf oberflächliche Verletzungen (unter anderem Kratzer), in jedem Fall aber auf Löcher oder Risse im Kropf und dem damit verbundenen Funktionsverlust. Derartige Verletzungen müssen immer genäht werden, da die Wundränder nicht anderweitig fixiert werden können und somit nicht von alleine wieder zusammenwachsen. Kleine Löcher machen den Kropf zwar nicht sofort funktionsuntüchtig, doch je schneller das betroffene Tier behandelt wird, desto weniger verschmutzte oder abgestorbene Wundränder muss der Tierarzt vor dem Vernähen entfernen: Die Prognose verbessert sich.

Der Tierarzt wird unter Narkose (in der Regel Inhalationsnarkose mit Isofluran) die Wundränder bereinigen und zunächst das geöffnete Gewebe des Kropfes mit zahlreichen Stichen vernähen. Anschließend wird die Haut darüber vernäht.

Diese Operation ist relativ belastend, da die überdurchschnittlich hohe Anzahl an Stichen eine vergleichsweise lange Narkosezeit voraussetzt. Gerade bei jungen Vögeln besteht daher ein hohes Risiko. Der Eingriff sollte aus diesem Grund ausschließlich von einem absolut vogelkundigen und operationserfahrenen Tierarzt durchgeführt werden. Man sollte sich gegebenenfalls im Vorfeld telefonisch darüber informieren, ob die ausgesuchte Praxis diese Operation durchführt und ob sie Erfahrung damit hat.

Es gibt einige Vogeltierärzte, die berichten, dass ein Vogel vor allem bei größeren Verletzungen quasi keine Chance hat. Andere behandeln diese Verletzungen hingegen mit einer beeindruckenden Erfolgsquote. Es lohnt sich somit, sich umzuhören und unter Umständen auch längere Fahrtstrecken in Kauf zu nehmen.

Problem: Entlastung der Wundnaht

Hat der Vogel die Operation überstanden, ist es ratsam, ihm vom Tierarzt eine Infusion in beide Kniefalten geben zu lassen. Auf diesem Weg kann der Zeitraum bis zur nächsten Fütterung verlängert werden, da zumindest der Flüssigkeitsverlust des verletzten Tieres ausgeglichen wird.

Wie lange man das betroffene Tier ohne Fütterung lassen kann, ist stark abhängig vom Alter, Gewicht und Allgemeinzustand des Vogels und muss in Abstimmung mit dem Tierarzt bestimmt werden.

Über die Art der Fütterung nach der Operation scheiden sich die Geister. Einige Tierärzte empfehlen, nach dem Eingriff, also postoperativ nur Brei (beispielsweise in Form von Handaufzuchtfutter für Papageien) zu verfüttern. Andere empfehlen die Fütterung von einweichbaren, nicht zu kleinen Körnern (zum Beispiel Weizen oder Dinkel), da sie vermuten, Brei könnte in kleine Zwischenräume der Naht laufen und dort Entzündungen verursachen.

Grundsätzlich gilt, dass das Futter absolut frisch sein muss (Quellfutter gründlich mit heißem Wasser spülen und Handaufzuchtfutter immer frisch zubereiten) und nur kleine Portionen verfüttert werden sollten. Auf diesem Weg entlastet man die Kropfnaht.

Gegebenenfalls kann man statt normalem Trinkwasser einen dünnen Salbeitee zubereiten, da dieser eine leichte Desinfektion im Kropf ermöglicht. Diese Funktion von Salbei sollte allerdings nicht überbewertet werden.

Wichtig: Tägliche Kontrolle der Naht

Die Naht an der Außenseite des Kropfes sollte täglich kontrolliert und in den ersten Tagen auch gepflegt werden. Riecht die Naht unangenehm oder ungewöhnlich, kann das ein Zeichen für eine schlechte Wundheilung sein. In diesem Fall sollte der Tierarzt unbedingt ein zweites Mal aufgesucht werden. Es ist möglich, dass sich die Innennaht zumindest anteilig wieder geöffnet hat und nur noch von der vernähten Haut außen zusammengehalten wird. Früher oder später wird sich das kleine Leck auch bis zur Außennaht vorarbeiten und Flüssigkeit läuft aus dem Kropf.

Die Notwendigkeit einer zweiten Operation ist vor allem bei größeren Kropfverletzungen leider nicht selten. Oft sind es jedoch nur kleine Bereiche der Naht, die undicht geworden sind und doch noch erfolgreich behandelt werden können.

In den ersten Tagen nach dem Eingriff empfiehlt es sich, die Außennaht mit einem Wunddesinfektionsmittel, zum Beispiel Polyvidon-Jod-Lösung (Packungsbeilage beachten) zu desinfizieren.

In den meisten Fällen verordnet der Tierarzt auch ein Antibiotikum. Penible Hygiene im Umfeld des Vogels versteht sich von selbst: Das Tier sollte auf leicht austauschbarem Küchenpapier sitzen.

Sonderfall Jungvögel

Junge Ringeltaube nach einer Kropfoperation, © Tanja Kahlert
Junge Ringeltaube nach einer Kropfoperation, © Tanja Kahlert

Die Behandlung von Jungvögeln mit Kropfverletzungen gestaltet sich besonders schwierig. Junge Vögel vertragen die Narkose schlechter, sind empfindlicher gegenüber antibiotischen Behandlungen und befinden sich zudem in einem rasanten Wachstum – natürlich auch des Kropfes.

Gerade auf die Ernährung sollten Pfleger von Jungvögeln mit Kropfverletzungen besonders gut Acht geben. Haben Sie sich für die Fütterung mit eingeweichten Körnern entschieden, sollten Vitamine und Mineralstoffe unbedingt zusätzlich gegeben werden. Das gilt vor allem für Stoffe, die wichtig für das Knochenwachstum sind, dazu zählen Calcium und Vitamin D. Das bedeutet jedoch nicht, unreflektiert Vitaminpräparate in den Vogel zu „schütten“. Auch Vitamine können überdosierbar sein, daher sollte dieses Problem mit dem vogelkundigen Tierarzt geklärt werden, der geeignete Präparate und Dosierungen empfehlen kann.

Sollten Sie mit Handaufzuchtfutter arbeiten, ist das Problem nicht ganz so groß, da diese Produkte oft schon mit den wichtigsten Vitaminen und Mineralstoffen versetzt sind.

Kropfnaht: eine „Sollbruchstelle“

Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Naht immer gefährdet bleibt. Es handelt sich dabei um eine Art „Sollbruchstelle“, die sich auch zu einem späteren Zeitpunkt noch öffnen kann. Unerfahrene Pfleger wähnen sich oft schon nach zwei oder drei Wochen in Sicherheit, was die Heilung ihres Pfleglings angeht. Tatsache ist jedoch, dass die kritische Zeit damit noch lange nicht überwunden ist. Auch dann nicht, wenn der Vogel sich augenscheinlich prächtig entwickelt.

Handelt es sich bei dem Tier um einen eigentlich auswilderungsfähigen Vogel, empfiehlt es sich daher, ihn einige Monate zu beobachten, bevor eine Auswilderung erfolgt. Bitte beachten Sie gerade hier, dass längere Aufenthalte für Wildvögel mitunter kritisch sind. Um Verhaltensstörungen, wie zum Beispiel Fehlprägungen, zu vermeiden, muss der Wildvogel in ein geeignetes Umfeld zu Artgenossen, beispielsweise in eine geräumige Außenvoliere, die eine Beobachtung des Tieres dennoch ermöglicht. Es ist im Einzelfall abzuwägen, ob ein längerer Aufenthalt in Gefangenschaft aufgrund der Kropfverletzung angebracht ist. Keinesfalls ist eine verheilte Kropfverletzung eine Rechtfertigung für lebenslange Volierenhaltung!