Erkrankungen des Zentralen Nervensystems (ZNS)

Dieser Stieglitz verbiegt seinen Körper wegen eines schweren Schädeltraumas nach einem Kollisionsunfall, © Klaus Hartwig via NABU-naturgucker.de
Dieser Stieglitz verbiegt seinen Körper wegen eines schweren Schädeltraumas nach einem Kollisionsunfall, © Klaus Hartwig via NABU-naturgucker.de

Das Zentrale Nervensystem, auch als Zentralnervensystem oder kurz ZNS bezeichnet, ist ein Gewebe, das bei Vögeln und auch bei anderen höheren Lebewesen sehr vielfältige Aufgaben koordiniert. Unter anderem koordiniert es die Bewegungen und ist für die Verarbeitung von Reizen aller Art mit zuständig. Bei Wirbeltieren, zu denen auch die Vögel gehören, und beim Menschen befindet sich das ZNS im Gehirn und im Rückenmark. Das Gewebe kann aus unterschiedlichen Gründen Schaden nehmen, denn es gibt eine Reihe von Erkrankungen, die es angreifen.

Typische Ursachen für ZNS-Erkrankungen können zum Beispiel sein

  • Schädeltrauma bzw. Schädel-Hirn-Trauma
  • Infektionen des Gehirns mit Viren, Bakterien, Parasiten (bei Tauben ist vor allem an Paramyxoviren zu denken)
  • Vergiftungen (hierbei kommen bei Wildvögeln besonders häufig Insektizide zum Tragen)
  • Organerkrankungen (beispielsweise Niereninfektionen)
  • Gehirnerschütterungen und Gehirnblutungen nach Kollisionsunfällen
  • Durchblutungsstörungen
  • Mangel an Vitaminen des B-Komplexes, Vitamin E und Kalzium
  • Hirntumoren (treten extrem selten auf)

Mit einer Erkrankung des ZNS gehen meist charakteristische Symptome einher:

  • Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen – der betroffene Vogel kann sich nicht gut auf dem Ast halten, er fällt oft auf den Boden.
  • Kopfverdrehungen – der Vogel verdreht den Hals um bis zu 180 Grad und dreht sich unter Umständen mit dem gesamten Körper permanent um seine eigene Achse. Ursache hierfür sind in vielen Fällen Paramyxoviren oder Infektionen mit Salmonellen, aber auch Schwermetallvergiftungen, wie zum Beispiel Blei aus Autoabgasen, oder Insektizide, die der Vogel mit der Nahrung aufgenommen hat. Es gibt jedoch noch eine ganze Reihe weiterer möglicher Ursachen für das Symptom Kopfverdrehen infolge einer ZNS-Störung.
Junge Blaumeise mit schwerer ZNS-Störung, © Monika Schröder
Junge Blaumeise mit schwerer ZNS-Störung, © Monika Schröder

Vögel, die unter zentralnervösen Störungen leiden, müssen dunkel und ruhig gehalten werden. Alle äußeren Reize, die auf das Gehirn einwirken können, sind zu vermeiden. Am besten setzt man sie in einem abgedunkelten Raum in einem Karton auf eine weiche Unterlage, sodass sie sich bei Krampfanfällen nicht verletzen können. Kippt der Vogel auf die Seite oder den Rücken, muss er mit zusammen gedrehten Handtüchern in eine aufrechte Sitzposition gebracht werden. Bitte führen Sie keine Wärmebestrahlung durch! Wärme lässt die Blutmenge im Gehirn steigen, wodurch sich der Zustand des Tieres noch verschlechtert; im schlimmsten Fall kann die Wärmetherapie tödlich sein!

Die Behandlung eines Vogels mit ZNS-Störungen richtet sich nach der Ursache, die am besten von einem erfahrenen Tierarzt festgestellt werden sollte. Handelt es sich beispielsweise um einen ernährungsbedingten Mangelzustand, so erholt sich das Tier nach der Verabreichung der fehlenden Substanzen oft wieder vergleichsweise schnell. Sie sollten dem Vogel einige Tropfen Vitamin B Komplex oder Amynin beziehungsweise Volamin über den Schnabelrand verabreichen und ihn danach für zwei bis drei Stunden völlig in Ruhe lassen.

Einige Tierärzte rieten uns, dem Wildvogelhilfe-Team, in der Vergangenheit ohne die Stellung konkreter Diagnosen dazu, Vögel mit ZNS-Störungen einzuschläfern. Ein erfahrener Vogel-Tierarzt stellt hingegen eine gesicherte Diagnose und gibt meist nicht so schnell den Rat zum Einschläfern. Sinnvoll und allemal einen Versuch wert ist die Verabreichung einer Vitamin-B-Komplex-Lösung, von der über mehrere Tage stündlich einige Tropfen über den Schnabelrand eingegeben werden. Auch die subkutane Injektion von Vitamin B Komplex durch einen Tierarzt ist ratsam. In vielen Fällen trat nach dieser Behandlung vor allem bei Gehirnerschütterungen eine deutliche Besserung ein. Hier dauerte es manchmal nur einige Stunden, bis sich der Vogel wieder erholt hatte. Die zusätzliche Gabe des homöopathischen Präparates Hypericum hat sich als positiv erwiesen, das gleiche gilt für Traumeel.

Einige Vogelarten, zum Beispiel Schwalben, benötigen hin und wieder B-Vitamine zur Prophylaxe von Mangelerscheinungen, da die Tiere ansonsten zu Verkrampfungen neigen. Diese Verkrampfungen äußern sich folgendermaßen: Der Vogel verbiegt sich, indem er seinen Kopf nach hinten und seinen Schwanz nach vorne verdreht, er kann sich dabei sogar rückwärts überschlagen.

Erkrankungen des ZNS heilen häufig nicht innerhalb weniger Tage. Es kann je nach Ursache für die Krankheit Wochen oder gar Monate dauern, bis ein betroffener Vogel wieder vollständig genesen ist. Besonders Spechte sind nach Kollisionen in der Regel Patienten, die einige Tage, Grünspechte mindestens eine Woche, Ruhe und Behandlung benötigen.
Sind Zugvögel von einer solchen Erkrankung betroffen, muss genau überlegt werden, ob sie in Gefangenschaft überwintern können. Die Unterbringung sollte dann möglichst artgerecht sein und im Idealfall finden die gefiederten Patienten mindestens einen Artgenossen vor. Es kann deshalb sinnvoll sein, sich mit anderen Auffangstationen oder Vogelpflegern darüber zu beraten, zwei einsame Patienten derselben Art an einem geeigneten Ort zusammenzulegen.