Rechtliche Situation rund um Rabenvögel

Beitrag von Dagmar Offermann, Team Wildvogelhilfe

Rabenvogel im Fadenkreuz, Grafik basierend auf Bildmaterial von © FraukeFeind (Vogel) und stux (Fadenkreuz) / Pixabay
Rabenvogel im Fadenkreuz, Grafik basierend auf Bildmaterial von © FraukeFeind (Vogel) und stux (Fadenkreuz) / Pixabay

Die Rabenvögel unterliegen, wie alle europäischen Vogelarten, dem allgemeinen Schutz der EU-Vogelrichtlinie (RICHTLINIE 2009/147/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten) und damit zugleich dem besonderen Schutz nach dem Bundesnaturschutzgesetz.

 

Die in Deutschland vermehrt wild vorkommenden Arten sind Eichelhäher (Garrulus glandarius), Elster (Pica pica), Dohle (Corvus monedula), Saatkrähe (Corvus frugilegus) und Aaskrähe (Corvus corone). Die Aaskrähe untergliedert sich in die Rabenkrähe (C. c. corone), welche zumeist südwestlich der Elbe vorkommt, und die Nebelkrähe (C. c. cornix), welche nordöstlich der Elbe vorkommt.

 

Sie alle sind im Anhang II Teil B der EU-Vogelrichtlinie als Arten gelistet, die vom Grundsatz her in der EU bejagt werden dürfen. In Deutschland dürfen gem. Artikel 7 Abs.3 der Richtlinie dagegen nur für die Arten Aaskrähe, Elster und Eichelhäher Jagdzeiten erlassen werden.

 

Saatkrähe und Dohle gehören zu den Arten, für die in Deutschland die Jagd nicht zugelassen ist (RICHTLINIE 2009/147/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES).

 

Richtlinie 2009/147/EG
Artikel 7

(1) Die in Anhang II aufgeführten Arten dürfen aufgrund ihrer Populationsgröße, ihrer geografischen Verbreitung und ihrer Vermehrungsfähigkeit in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bejagt werden.
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Jagd auf diese Vogelarten die Anstrengungen, die in ihrem Verbreitungsgebiet zu ihrer Erhaltung unternommen werden, nicht zunichte macht.

(2) Die in Anhang II Teil A aufgeführten Arten dürfen in dem geografischen Meeres- und Landgebiet, in dem diese Richtlinie Anwendung findet, bejagt werden.

Der Anhang II listet also alle Arten auf, die in der gesamten EU unter Beachtung der jeweiligen Landesgesetze uneingeschränkt bejagbar sind:

ANHANG II
TEIL A
ANSERIFORMES GALLIFORMES GRUIFORMES CHARADRIIFORMES COLUMBIFORMES
Anatidae Tetraonidae Rallidae Scolopacidae Columbidae
Anser fabalis Lagopus lagopus scoticus et hibernicus Fulica atra Lymnocryptes minimus Columba livia
Anser anser Lagopus mutus Gallinago gallinago Columba palumbus
Branta canadensis Phasianidae Scolopax rusticola
Anas penelope Alectoris graeca
Anas strepera Alectoris rufa
Anas crecca Perdix perdix
Anas platyrhynchos Phasianus colchicus
Anas acuta
Anas querquedula
Anas clypeata
Aythya ferina
Aythya fuligula

Rabenvogelarten werden allerdings in diesem Teil nicht aufgeführt. Hierfür muss man einen Blick in den später hinzugefügten Teil B der Richtlinie werfen:

(3) Die in Anhang II Teil B aufgeführten Arten dürfen nur in den Mitgliedstaaten, bei denen sie angegeben sind, bejagt werden.

Dies bedeutet, dass abweichend vom Teil A der Richtlinie mehr Arten (rot gedruckt die Rabenvogelarten), wenn auch nur in einzelnen Mitgliedsstaaten der EU, durchaus bejagbar sind:

ANHANG II

TEIL B

ANSERIFORMES GALLIFORMES GRUIFORMES CHARADRIIFORMES COLUMBIFORMES PASSERIFORMES
Anatidae Meleagridae Rallidae Haematopodidae Columbidae Alaudidae
Cygnus olor Meleagris gallopavo Rallus aquaticus Haematopus ostrale Columba oenas Alauda arvensis
Anser brachyrhynchus Tetraonidae Gallinula chloropus Charadriidae Streptopelia decaocto Muscicapidae
Anser albifrons Bonasa bonasia Pluvialis apricaria Streptopelia turtur Turdus merula
Branta bernicla Lagopus lagopus lagopus Pluvialis squatarola Turdus pilaris
Netta rufina Tetrao tetrix Vanellus vanellus Turdus philomelos
Aythya marila Tetrao urogallus Scolopacidae Turdus iliacus
Somateria mollissima Phasianidae Calidris canutus Turdus viscivorus
Clangula hyemalis Francolinus francolinus Philomachus pugnax Sturnidae
Melanitta nigra Alectoris barbara Limosa limosa Sturnus vulgaris
Melanitta fusca Alectoris chukar Limosa lapponica Corvidae
Bucephala clangula Coturnix coturnix Numenius phaeopus Garrulus glandarius
Mergus serrator Numenius arquata Pica pica
Mergus merganser Tringa erythropus Corvus monedula
Tringa totanus Corvus frugilegus
Tringa nebularia Corvus corone
Laridae
Larus ridibundus
Larus canus
Larus fuscus
Larus argentatus
Larus cachinnans
Larus marinus

Von diesen Rabenvogelarten dürfen gemäß EU-Recht in Deutschland die mit einem „+“ markierten bejagd werden:

Grafik © Dagmar Offermann
Grafik © Dagmar Offermann

Aufgrund dieser übergeordneten europäischen Gesetzeslage ist es der BRD überhaupt nur möglich, Rabenvögel bejagen zu lassen, was zur Folge hat, dass inzwischen in vielen Bundesländern Aaskrähe, Elster und Eichelhäher nach Landesrecht dem Jagdrecht unterstellt sind. Dies kann wie weiter unten dargelegt, Folgen für die Hilfe in Not geratener Vögel haben. In einigen Bundesländern werden Rabenvögel abweichend hiervon auf Grund von Ausnahmeregelungen nach dem Naturschutzrecht bejagt. Dohlen und Saatkrähen können nach aktueller Gesteslage grundsätzlich nur durch eine Ausnahmegenehmigung nach Artikel 9 der Vogelschutzrichtlinie bejagd werden.

Eine solche Ausnahmegenehmigung darf nur unter strengen Kontrollauflagen und auch nur dann wenn es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt, im Wesentlichen aus folgenden Gründen erteilt werden:

  • im Interesse der Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit,
  • im Interesse der Sicherheit der Luftfahrt,
  • zur Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Fischereigebieten und Gewässern,
  • zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt,
  • zu Forschungs- und Unterrichtszwecken;

Grundsätzlich gilt dass man gem. BNatSchG (Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009) verletzte, hilflose oder kranke Tiere, so auch Rabenvögel, aufnehmen darf, um sie gesund zu pflegen. In § 45 Abs. 5 heißt es:

(5) Abweichend von den Verboten des § 44 Absatz 1 Nummer 1 sowie den Besitzverboten ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften ferner zulässig, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, um sie gesund zu pflegen.
Die Tiere sind unverzüglich freizulassen, sobald sie sich selbständig erhalten können. Im Übrigen sind sie an die von der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde bestimmte Stelle abzugeben.
Handelt es sich um Tiere der streng geschützten Arten, so hat der Besitzer die Aufnahme des Tieres der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde zu melden. Diese kann die Herausgabe des aufgenommenen Tieres verlangen.

Allerdings wird eine Einschränkung dieses allgemeinen Rechts formuliert:
…ist es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften … zulässig, …

Schauen wir uns also das Jagdgesetz genauer an.
In §1 des Bundesjagdgesetz (BJagdG) heißt es:

(1) Das Jagdrecht ist die ausschließliche Befugnis, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen. Mit dem Jagdrecht ist die Pflicht zur Hege verbunden.…

(5) Das Recht zur Aneignung von Wild umfaßt auch die ausschließliche Befugnis, krankes oder verendetes Wild, Fallwild und Abwurfstangen sowie die Eier von Federwild sich anzueignen.

Gesetzestexte wollen aufmerksam studiert werden, © MonikaP / Pixabay
Gesetzestexte wollen aufmerksam studiert werden, © MonikaP / Pixabay

Mit dem §1 wird somit demjenigen, der das Jagdrecht in einem bestimmten Bereich inne hat die absolute Verfügungsgewalt über alle Tiere in seinem Bezirk die dem Jagdrecht unterstehen, zugesprochen (Aneignungsrecht). Der Jagdrechteinhaber ist quasi der „Besitzer“ dieser Tiere. Jeder, der ein solches Tier ohne die Zustimmung des Jagdrechteinhabers aufnimmt und z. B. pflegt oder großzieht, bricht damit geltendes Recht. Von Gesetz wegen muss der Jagdrechteinhaber diese Pflege selber erbringen, da mit dem Jagdrecht die Pflicht zur Hege unabdingbar verbunden ist. Unter „Hege“ versteht das Gesetz nicht nur die von den jagdwilligen gerne darunter verstandene Pflicht zur „Bestandsregulierung“ sondern insbesondere auch die Pflicht zum Schutz und zur Pflege wildlebender Tiere (Lorz, Metzger/Stöckel BJagdG § 1 Rn. 5).

 

Bei der Pflege von Wildvögeln sollte man also wissen, welche Arten unter das Jagdrecht fallen. In §2 BJagdG werden diese Tierarten aufgelistet. Von den Wildvögeln fallen folgende zunächst allgemein darunter:

  • Rebhuhn (Perdix perdix)
  • Fasan (Phasianus colchicus)
  • Wachtel (Coturnix coturnix)
  • Auerwild (Tetrao urogallus)
  • Birkwild (Lyrurus tetrix)
  • Rackelwild (Lyrus tetrix x Tetrao urogallus)
  • Haselwild (Tetrastes bonasia)
  • Alpenschneehuhn (Lagopus mutus)
  • Wildtruthuhn (Meleagris gallopavo)
  • Wildtauben (Columbidae)
  • Höckerschwan (Cygnus olor)
  • Wildgänse (Gattungen Anser und Branta)
  • Wildenten (Anatinae)
  • Säger (Gattung Mergus)
  • Waldschnepfe (Scolopax rusticola)
  • Blässhuhn (Fulica atra)
  • Möwen (Laridae)
  • Haubentaucher (Podiceps cristatus)
  • Großtrappe (Otis tarda)
  • Graureiher (Ardea cinerea)
  • Habichtartige (Accipitridae)
  • Falken (Falconidae)
  • Kolkrabe (Corvus corax)

In §2 Abs. 2 wird den einzelnen Bundesländern allerdings die Möglichkeit eingeräumt weitere Tierarten zu bestimmen, die dem jeweiligen Landesjagdrecht unterstellt werden. Hierbei unterscheiden sich die Bundesländer zum Teil erheblich. Teilweise wurden keine weiteren Tierarten dem Jagdrecht unterstellt, teilweise wurden erheblich mehr bzw. andere Tierarten ins Jagdrecht überführt.

Am Beispiel des Landes NRW soll dies verdeutlicht werden.


Mit der Neuauflage des Landesjagdgesetzes Nordrhein-Westfalen (LJG-NRW vom 7. Dezember 1994, Stand Mai 2016), das von den verantwortlichen Machern gerne als „neues ökologisches Jagdrecht“ gefeiert wird, sind verschiedene Veränderungen eingeführt worden. Der Kolkrabe ist im Gegensatz zu den Vorgaben des Bundesjagdgesetztes nicht mehr dem Jagdrecht unterstellt. Auch wurde der Eichelhäher wie auch andere Vögel aus der Liste der in NRW jagdbaren Arten entfernt. Interessanterweise wird keine einzige Greifvogelart mehr gelistet, was aber eher pragmatische als ökologische Gründe hat. Neben diesen durchaus begrüßenswerten Neuerungen sind allerdings andere unhaltbare Zustände nicht wirklich verändert worden. So ist z. B. durch das „Verbot der Lockjagd auf Rabenkrähen außerhalb der Einzeljagd“ das „sportliche Massenschießen“ von Krähen, das sogenannte „Crowbusting“ (übersetzt: „Krähen (ab)knallen“), bei dem z. T. mit halbautomatischen Waffen innerhalb kurzer Zeit ganze örtliche Populationen zusammengeschossen werden, nicht wirklich verboten, sondern es wird nur die Anzahl der an einem solchen „Event“ teilnehmenden Personen auf 4 begrenzt.

Weiterhin verblieben in der Liste der jagdbaren Arten sind in NRW abweichend von § 2 Absatz 2 des Bundesjagdgesetzes folgende Vogelarten:

  • Rebhuhn (Perdix perdix)
  • Fasan (Phasianus colchicus)
  • Wildtruthuhn (Meleagris gallopavo)
  • Ringeltaube (Columba palumbus)
  • Höckerschwan (Cygnus olor)
  • Graugans (Anser anser)
  • Kanadagans (Branta canadensis)
  • Nilgans (Alopochen aegyptiacus)
  • Stockente (Anas platyrhynchos)
  • Waldschnepfe (Scolopax rusticola)
  • Rabenkrähe (Corvus corone corone)
  • Elster (Pica pica)

Für alle diese Arten gilt, dass § 45 Abs. 5 des BNatSchG nicht mehr direkt anwendbar ist!

Gegenüber der bisherigen Rechtslage wurde der Katalog der jagdbaren Arten neu definiert. Die Hauptkriterien für die Aufnahme oder den Verbleib in der Liste der jagdbaren Arten waren:

  • Verwertbarkeit
  • Vermeidung von Wildschäden und Wildseuchen
  • Schutz gefährdeter Arten vor Raubwild
  • Verhinderung der Ausbreitung von Neozoen (gebietsfremde, unter Umständen invasive Arten) zum Schutz der heimischen Fauna

(Quelle: Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, www.umwelt.nrw.de)

Es sei die Bemerkung erlaubt, dass jeder, der Rabenvögel einigermaßen gut kennt, weiß, dass zumindest auf Rabenkrähen und Elstern keines dieser Kriterien wirklich zutrifft! Letztendlich bedeutet das, dass jeder der in NRW eine der aufgelisteten Vogelarten in einem Jagdbezirk aufnimmt um sie z. B. zu pflegen oder verwaiste Jungvögel dieser Arten großzieht, gem. Gesetz dafür die Zustimmung des Jagdrechteinhabers benötigt bzw. der Jagdrechteinhaber muss diese Aufgabe Aufgrund der Hegeverpflichtung selber übernehmen. Jede andere Handlung könnte genaugenommen das sog. Aneignungsrecht des Jagdrechteinhabers verletzen und in NRW den Tatbestand des § 292 Jagdwilderei, Strafgesetzbuch (StGB) erfüllen und dementsprechend geahndet werden, sofern man nicht eine Ausnahmegenehmigung gem.§ 36 Abs. 2 Nr. 2 BJagdG vorweisen kann. (Hier wird dem Landesgesetzgeber die Ermächtigung gegeben Regelungen zur Aufnahme, Pflege und Aufzucht verletzten und kranken Wildes in der Weise zu treffen, dass die Aufzucht gestattet ist.)

Also müssen wir uns auch das Strafrecht ein wenig genauer anschauen!


 

In § 292 Jagdwilderei, Strafgesetzbuch (StGB) heißt es:

(1) Wer unter Verletzung fremden Jagdrechts oder Jagdausübungsrechts dem Wild nachstellt, es fängt, erlegt oder sich oder einem Dritten zueignet oder eine Sache, die dem Jagdrecht unterliegt, sich oder einem Dritten zueignet, beschädigt oder zerstört, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn die Tat gewerbs- oder gewohnheitsmäßig, zur Nachtzeit, in der Schonzeit, unter Anwendung von Schlingen oder in anderer nicht weidmännischer Weise oder von mehreren mit Schußwaffen ausgerüsteten Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für die in einem Jagdbezirk zur Ausübung der Jagd befugten Personen hinsichtlich des Jagdrechts auf den zu diesem Jagdbezirk gehörenden nach § 6a des Bundesjagdgesetzes für befriedet erklärten Grundflächen.

Der § 292 StGB schützt das Aneignungsrecht des Jagdberechtigten. Im Wesentlichen stellt es ein Vermögensdelikt dar.

Wie dargestellt, würden bei einer stringenten Auslegung der Rechtslage natürlich auch sehr schnell ansonsten unbescholtene Bürger, die nur „helfen“ wollen, kriminalisiert. Auch ist es so, dass bei einer konsequenten Verfolgung der Delikte ganze Heerscharen von Polizei und Staatsanwaltschaft gebunden wären, was das Ministerium zu einer relativierenden Äußerung zum § 292 StGB bezüglich dem Jagdrecht unterstellten Vögel veranlasst hat:

 „Dritte Personen (Nichtjägerinnen/Nichtjäger und Jägerinnen/Jäger) dürfen verletztes Federwild mitnehmen und an eine Auffangstation abgeben. Eine ungerechtfertigte Aufnahme von Jungtieren ist hiervon nicht umfasst. Die unverzügliche Anzeige beim Jagdausübungsberechtigten soll diesem ermöglichen, von seinem Aneignungsrecht Gebrauch zu machen.“ (Quelle: Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, www.umwelt.nrw.de )

Durch die Aufnahme eines gelisteten verletzten Altvogels oder hilflosen Jungvogels begeht man also nach Auffassung des Ministeriums nicht unmittelbar eine Straftat.

Nichtsdestotrotz hat der § 292 StGB Rechtsbestand. Allerdings gilt das hierin geschützte Aneignungsrecht des Jagdberechtigten nur im eigenen Jagdbezirk und nur hier greift evtl. § 292 StGB.

Was letztendlich die Frage aufwirft: Was ist ein eigener Jagdbezirk bzw. wo wurde das Tier eigentlich aufgefunden?

Die Eigentümer von Feldern und Wäldern sind in Deutschland zugleich Inhaber des Jagdrechts auf ihren Grundstücken. Gem. § 3 Abs. 1 BJagdG ist es „untrennbar mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden“ und nimmt damit am Grundrechtschutz des Art. 14 GG teil. Selbst ausüben dürfen die Eigentümer dieses Recht allerdings nur, wenn ihr Areal die Mindestgröße eines Eigenjagdbezirks erreicht (§ 7 BJagdG). Wenn man nicht gerade Großgrundbesitzer ist, sondern nur ein kleines oder mittelgroßes Grundstück sein eigen nennt, wird man als Grundstückseigentümer zwangsweise Mitglied einer Jagdgenossenschaft, die das Recht im Gemeinschaftsjagdbezirk ausübt (§§ 7, 8, 9, 10 BJagdG). Der Grundstückseigentümer verliert mit der zwangsweisen Eingliederung in eine Jagdgenossenschaft das mit dem Jagdrecht verbundene Jagdausübungsrecht zugunsten der Jagdgenossenschaft. Sie entscheidet an seiner Stelle, wer wann in welchem Umfang auf seinem Grundstück die Jagd ausübt. Diese deutsche Rechtsauslegung widerspricht in eklatanter Form der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), der schon 1999 feststellte (Straßburger Urteil vom 29.4.1999) dass diese Vorgehensweise weder mit dem Eigentumsrecht, noch mit dem Diskriminierungsverbot, noch mit der Vereinigungsfreiheit vereinbar ist.

Doch auch wenn das Jagdrecht aus seinem Selbstverständnis heraus davon ausgeht, dass jeder Quadratmeter Boden jagdbarer Boden ist, ist es de facto nicht so.

Nach geltendem Recht darf die Jagd nur in Jagdbezirken ausgeübt werden. Die Gesamtjagdfläche (bejagbare Fläche) des Landes Nordrhein-Westfalen beträgt rund 80 % der Landesfläche. Das sind rund 2.714.000 Hektar, die sich auf insgesamt rund 8.430 Jagdreviere verteilen.“ (Quelle: Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein- Westfalen, www.umwelt.nrw.de)

Nach dieser Aussage verbleiben ca. 20% der Landesfläche als nicht bejagbar übrig. Diese Fläche setzt sich aus sog. jagdbezirkfreien Enklaven, allgemein befriedeten Bezirken gem. §4 des Landesjagdgesetzes NRW und auf Antrag von privaten Grundeigentümern behördlich für befriedet erklärten Grundstücken zusammen.

Die gem. §4 Abs.1 Landesjagdgesetzes NRW allgemein befriedete Bezirke sind:

Das Vertrauen der Dohle in den Menschen steht auf wackeligen Beinen, © 1447441 / Pixabay
Das Vertrauen der Dohle in den Menschen steht auf wackeligen Beinen, © 1447441 / Pixabay

a) Gebäude, die zum Aufenthalt von Menschen dienen, und Gebäude, die mit solchen Gebäuden räumlich zusammenhängen;
b) Hofräume und Hausgärten, die unmittelbar an eine Behausung anstoßen und durch irgendeine Umfriedung begrenzt oder sonst vollständig abgeschlossen sind;
c) Friedhöfe;
d) Wildgehege, soweit sie nicht jagdlichen Zwecken dienen;
e) Bundesautobahnen;
f) Kleingartenanlagen gemäß Bundeskleingartengesetz und Dauerkleingärten gemäß Baugesetzbuch.

In diesen Gebieten ruht die Jagd, das heißt hier darf nicht bzw. nur unter besonderen Auflagen im Ausnahmefall (Bedrohung o. ä.) die Jagd ausgeübt werden. Insofern hat der Jagdausübungsberechtigte in diesen Gebieten kein allgemeines Jagdrecht bzw. Aneignungsrecht, das er ausüben darf.

Fazit:

Je nach Bundesland kann es unterschiedlich sein, ob man alle oder nur bestimmte Rabenvögel oder Wildvögel im Allgemeinen im Sinne des §45 Abs. 5 BNatSchG pflegen darf. Aaskrähe, Elster und Eichelhäher können in Ihrem Bundesland durchaus in das Jagdrecht überführt worden sein, womit diese Vögel aus dem allgemeinen Schutz des BNatSchG herausfallen. Hier lohnt ein Blick in das jeweilige Landesjagdgesetz um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein.