Häufig auftretende Krankheiten der Rabenvögel

Beitrag von Dagmar Offermann, Team Wildvogelhilfe

Die Flügelverletzung dieser Rabenkrähe wurde konservativ behandelt, © Dagmar Offermann
Die Flügelverletzung dieser Rabenkrähe wurde konservativ behandelt, © Dagmar Offermann

Bei Vögeln ist bei den geringsten Krankheitsanzeichen Eile und schnelles Handeln geboten, da der Tod aufgrund der hohen Stoffwechselrate dieser Tiere meist sehr rasch eintritt. Leider sind aber nur sehr wenige Tierärzte erfahren in der Behandlung von Wildvögeln. Am besten rufen Sie den Tierarzt zunächst an, zu dem Sie zu gehen gedenken, um Ihr Anliegen mit ihm abzuklären.

Die nachfolgenden Beschreibungen häufig auftretender Krankheitsbilder, die wir bei Rabenvögeln oft erlebt haben, ersetzen nicht den Tierarztbesuch! Sie sind lediglich als erste kleine Checkliste zur Selbstdiagnose zu verstehen, die in jedem Fall durch einen Tierarzt abgeklärt werden muss!

Bitte beachten Sie: Medikamente sollten ungefiederten Vögeln (Jungvögeln) grundsätzlich nur in Ausnahmefällen verabreicht werden! Jüngere Vögel überleben Medikamentenverabreichungen oft nicht, beziehungsweise es können bei ihnen schwere, irreparable Schädigungen des Körpers auftreten, da sie sich noch im Wachstum befinden. Bitte klären Sie auch bei Altvögeln jede Therapie mit dem Tierarzt ab und starten Sie keine Eigenversuche! Alle Medikamente haben Nebenwirkungen!

 

Rabenvögel leiden relativ oft an einem Befall mit Luftröhrenwürmern. Ein typisches Anzeichen hierfür ist der Stimmverlust. Ein betroffenes Tier hat Schwierigkeiten beim Krähen oder kann es überhaupt nicht mehr. Weitere Anzeichen sind eine schwere Atmung mit geöffnetem Schnabel sowie das „Herausklappen“ der Zunge. Ein Wurmbefall der Verdauungsorgane ist durch eine Untersuchung einer Kotprobe nachweisbar. Selbstverständlich halten wir auch über diese Erkrankung Informationen für Sie bereit: mehr zum Thema Darmwurmbefall.

Dohle mit aufgrund einer Verletzung hängendem Flügel, © Sandra Garbatsch
Dohle mit aufgrund einer Verletzung hängendem Flügel, © Sandra Garbatsch

Bei Knochenbrüchen an den Beinen oder an den Flügeln ist Handeln innerhalb von 24 Stunden geboten, da sie sonst mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr korrekt zusammenwachsen. Es gibt verschiedene Methoden, mit Brüchen umzugehen: Entweder wird der Tierarzt versuchen, die gebrochenen Gliedmaßen in die richtige Stellung zu bringen und zu fixieren. Oder er wird den Vogel operieren, wobei er die Knochen zusammennagelt.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass bei schwierigen Brüchen ein einfaches Bandagieren meist wenig bewirkt. Es hat sich sogar des Öfteren gezeigt, dass ein Vogel, dem beispielsweise ein Fuß bandagiert wurde, nach Abnahme der Bandage Fehlstellungen im anderen, zuvor vollkommen gesunden Fuß aufwies. Er hat sich aufgrund der vorübergehenden Extrembelastung mit dem nahezu vollen Körpergewicht quasi an den kranken Fuß „angepasst“, eine solche vorübergehende Fehlbelastung kann also gravierende und dauerhafte Konsequenzen haben. Dies gilt übrigens nicht nur bei Knochenbrüchen, sondern auch bei anderen Verletzungen wie Verstauchungen oder Ähnliches.

Füße einer jungen Elster, die wahrscheinlich unter Kalziummangel litt und deshalb eine Rachitis entwickelte, © Sylvia Urbaniak
Füße einer jungen Elster, die wahrscheinlich unter Kalziummangel litt und deshalb eine Rachitis entwickelte, © Sylvia Urbaniak

Rabenvögel neigen schnell zu Kalkmangel, wobei von Menschenhand aufgezogene Tiere besonders stark gefährdet sind. Fehlt es den Vögeln an für sie verwertbarem Kalk, werden ihre Knochen zu weich. Hieraus resultieren in aller Regel Fehlstellungen, die als Rachitis bezeichnet werden und häufig die Beine betreffen. Wie Sie einem Kalkmangel bei der Aufzucht junger Rabenvögel entgegenwirken können, erfahren Sie im Kapitel Futter für junge Rabenvögel.

Leidet ein Rabenvogel bereits an einer Fehlstellung, dies kann beispielsweise eine „Faustbildung“ eines Fußes sein, können Sie neben weiterer Kalk- und Vitamin-B-Gabe mit dem Vogel das Greifen trainieren: Legen Sie ihm einen Ast so zwischen die betroffenen Zehen, dass er damit greifen muss.

Sitzt ein Rabenvogel matt am Boden herum, „wirkt“ er fiebrig (aufgrund ihres Stoffwechsels können Vögel grundsätzlich kein Fieber bekommen, sondern der Organismus reagiert mit Untertemperatur) und außerdem stark geschwächt, so könnte eine bakterielle Infektion vorliegen. Basierend auf einer exakten tierärztlichen Diagnose sollte ein wirksames Antibiotikum verabreicht werden.

Diese Rabenkrähe krampft infolge eines starken Nährstoffmangels, © Sylvia Urbaniak
Diese Rabenkrähe krampft infolge eines starken Nährstoffmangels, © Sylvia Urbaniak

Hat das Tier starke Gleichgewichtsstörungen, kann es sich also nicht auf den Beinen halten, fällt es auf die Seite und erbricht es, könnte es sich beispielsweise um die Folgen einer Gehirnerschütterung handeln. Hierbei ist unbedingte Ruhe von absoluter Wichtigkeit! Betten Sie den Vogel abgedunkelt und zwingen Sie ihn vorerst nicht zur Nahrungsaufnahme. Streichen Sie dem Vogel nach einigen Stunden absoluter Ruhe vorsichtig Elektrolytlösung und/oder Volamin (Aminosäurenlösung mit Elektrolyten, Glucose und Vitaminen des B-Komplexes, beim Tierarzt erhältlich) an den Schnabelrand. Ist beides nicht auf die Schnelle zu organisieren, können Sie zehnprozentige Traubenzuckerlösung verwenden. Macht der Vogel nach einem Tag immer noch keine Anstalten, Nahrung oder Flüssigkeit selbstständig aufzunehmen, sollten Sie ihm vorsichtig in kurzen Zeitabständen jeweils ein wenig Nahrung eingeben. Achten Sie unbedingt darauf, dass keine Flüssigkeit oder Nahrung in den Eingang der Luftröhre, der direkt hinter der Zunge liegt, gelangt! Befindet sich ein Vogel in einem so kritischen Zustand, mahlen wir das Futter, versetzen es mit Vitaminen, Mineralstoffen und Traubenzucker und rühren es mit etwas Wasser zu einem sämigen Brei. Besonders gut geeignet ist außerdem ein Spezialfutterbrei aus Insekten, dessen Rezept Sie im Kapitel über die Fütterung nackter, junger Nestlinge finden. Auch bei starkem Nährstoffmangel kann es dazu kommen, dass Vögel krampfen oder taumeln und sich nicht auf den Beinen halten können.

Apathische junge Krähe, die vermutlich Gift-Pellets zum Töten von Kleinsäugern gefressen hat, © Gary Troughton via Flickr
Apathische junge Krähe, die vermutlich Gift-Pellets zum Töten von Kleinsäugern gefressen hat, © Gary Troughton via Flickr

Krampfanfälle und Verkrampfungen sind häufig Anzeichen einer Erkrankung des Zentralen Nervensystems (ZNS), für die verschiedene Ursachen in Frage kommen, darunter beispielsweise Infektionen des Gehirns, Folgen eines Sturzes, Vergiftungen oder Mangelernährung. Nicht vogelkundige Tierärzte rieten uns in der Vergangenheit ohne eine konkrete Diagnosenstellung meist dazu, solche Tiere durch sie einschläfern zu lassen. Sinnvoll und allemal einen Versuch wert ist unserer Erfahrung nach die Gabe einer Vitamin-B-Lösung (zum Beispiel Vitamin-B-Komplex von Serumwerk, beim Tierarzt erhältlich), von der stündlich einige Tropfen verabreicht werden sollten. Auch die subkutane Injektion von Vitamin B durch den Tierarzt ist ratsam. In vielen Fällen trat nach einer intensiven Behandlung mit Vitamin B eine deutliche Besserung ein.

Neben den oben aufgeführten Krankheiten kommen noch etliche weitere in Betracht. Oft bringt nur genaues Beobachten, die Untersuchung einer Kotprobe und/oder eines Kropfabstriches Klarheit über die Ursache für das Unwohlsein des erkrankten Vogels. Weitere Informationen zum Thema Gesundheit finden Sie in der gleichnamigen Rubrik dieses Internetprojekts.