Zahlen getöteter Vögel

Beitrag von Gaby Schulemann-Maier, Team Wildvogelhilfe

Waldschnepfe (Scolopax rusticola), © Alexandros Gassios via Flickr
Waldschnepfe (Scolopax rusticola), © Alexandros Gassios via Flickr

Für Natur- und Artenschützer ist es wichtig zu wissen, wie viele Individuen einer Art es gibt. Das ist aber nicht so leicht zu sagen, denn man kann mit Wildvögeln keine Volkszählung durchführen, bei der jedes einzelne Individuum erfasst wird. Also behilft man sich damit, in bestimmten Gebieten möglichst jedes Tier oder Brutpaar einer Art zu zählen, um basierend auf den daraus erhaltenen Zahlen eine Hochrechnung durchzuführen. In Gebiet A werden aber andere Zahlen ermittelt als in Gebiet B oder C. Deshalb kann man bei einer Hochrechnung nur einen groben Schätzwert erhalten, dessen obere und unter Grenze sich jeweils aus den größten und kleinsten Anzahlen der Untersuchungsgebiete ergibt. Doch wie bereits erwähnt, handelt es sich auch bei diesen Minimal- und Maximalwerten um Schätzungen. In Bezug auf die Anzahl der Vögel, die bei uns leben, lässt sich also leider nur eines sicher sagen: Nichts Genaues weiß man.

Erschwerend kommt hinzu, dass diese Zählmaßnahmen – Experten sprechen von Kartierungen – sehr aufwendig sind und deshalb oft Jahre vergehen, bis neue Hochrechnungswerte für die Gesamtpopulation der einzelnen Vogelarten in Deutschland erhoben werden können. Liegen diese Ergebnisse vor, können die ihnen als Basis dienenden Daten teils schon mehrere Jahre alt sein. Innerhalb dieser Zeitspanne kann sich viel getan haben – im positiven wie im negativen Sinne. Vogelpopulationen können demnach gewachsen oder geschrumpft sein – die Hochrechnungswerte bilden diese Entwicklung nicht ab.

Ähnlich schwierig ist es, die Zahl der Zugvögel einzuschätzen, die in Südeuropa oder Nordafrika getötet werden. Manche Zahlen lassen sich hochrechnen, darunter beispielsweise die durchschnittliche Opferzahl von Leimruten in einer Saison in einem bestimmten Landstrich, sofern in etwa die Zahl der aufgestellten Fallen bekannt ist. Schwieriger werden die Berechnungen zum Beispiel bei Netzfallen, wie sie in den nordafrikanischen Staaten entlang der Küste aufgestellt werden. Teils sind diese Netze in der Nähe abgelegener Dörfer und niemand weiß genau, wie lang sie sind und wie viele Vögel durchschnittlich zum Beispiel pro zehn Meter Netz gefangen werden. Es gibt somit bei der Ermittlung der Zahl getöteter Vögel ein ähnliches Problem wie bei der Hochrechnung der allgemeinen Populationsgrößen in Deutschland. Man muss sich also darüber im Klaren sein, dass im ungünstigsten Fall die Populationsgröße zu hoch eingeschätzt wurde und die Opferzahl zu niedrig – eine sehr ungünstige Situation.

Im Sommer 2000 hat das Komitee gegen den Vogelmord, das ständig versucht, die Opferzahlen möglichst genau zu ermitteln, einige Berechnungsergebnisse veröffentlicht. Sie zeigen, dass die Zahl der allein in Frankreich getöteten Tiere damals bei einigen Arten höher lag als die Zahl der Brutpaare in Deutschland. Dies ist kein Berechnungsfehler, denn die jeweiligen Vogelarten kommen keineswegs nur in Deutschland vor, sondern auch in unseren Nachbarländern und teils ebenfalls in Skandinavien. Sie alle ziehen auf ähnlichen Routen und können so französischen und anderen südeuropäischen oder nordafrikanischen Jägern in die Fallen oder vor die Flinten geraten.

Folgende Tabelle hat das Komitee gegen den Vogelmord damals veröffentlicht:

Arten in Frankreich getötet Brutpaare in Deutschland
Drosseln* 7 Mio. (+ 2 Mio. lebend gefangene Vögel) k.A.
Feldlerche 5 Mio. 3 Mio.
Kiebitz 1,2 Mio. 95.000
Waldschnepfe 1,3 Mio. 15.000

*Amseln, Sing- und Rotdrosseln