Rosshaarschlingen

Beitrag von Gaby Schulemann-Maier, Team Wildvogelhilfe

Wenn es um das Fangen von Wildvögeln geht, sind die Menschen, die ihnen nachstellen, äußerst kreativ. Denn es ist gar nicht so einfach, einen kleinen Singvogel zu erwischen. Die Tiere sind scheu und schnell. Auf sie zu schießen, bringt meist kaum etwas, wenn man die Vögel essen möchte. Die Wucht des Einschlags eines Geschosses würde den kleinen Körper zerlegen und er wäre für die Küche nicht mehr zu gebrauchen. Deshalb kommen zum Fangen kleiner Singvögel Fallen zum Einsatz, die an beliebten Sitzplätzen montiert werden und die dort arglos landenden Vögel festsetzen. Sie werden lebend gefangen und erleiden oft sehr lange Qualen, weil sie sich verletzen und manchmal erst nach Tagen sterben. Haben sie „Glück“, werden sie eher von den Vogelfängern gefunden und beim Einsammeln schnell getötet.

Erwachsene Rotdrossel, © hjorleifur / Pixabay
Erwachsene Rotdrossel, © hjorleifur / Pixabay

Einer dieser Fallentypen, die an typischen Sitzplätzen von Vögeln montiert werden, ist die Rosshaarschlinge. Gefertigt wird die eigentliche Schlinge aus den sehr langen und stabilen Schweifhaaren von Pferden – daher der Namensbestandteil „Rosshaar“. Die Schlingen werden in Kombination mit einem Futterköder eingesetzt: Beeren dienen als Lockmittel, um die vom langen Flug hungrigen und erschöpften ziehenden Singvögel dazu zu bringen, sich in der Falle niederzulassen. Nähert sich ein Vogel, um das verlockende Futter zu fressen, ist es für ihn zu spät – er hat sich bereits in den Schlingen der Falle verfangen. Je mehr sich der Vogel zu befreien versucht, desto enger zieht sich die perfide Falle zu. Das heißt, die Vögel strangulieren sich und hängen sich auf. Bis sie sterben, kann es sehr lange dauern. Sie ersticken unter großen Qualen. Die Redewendung „jemanden erdrosseln“ hat in dieser Fangmethode ihren Ursprung, denn oft sind es ziehende Drosseln wie die Rotdrossel, die sich auf diese Weise strangulieren und einen grausamen, langsamen Tod finden.

Insbesondere in den französischen Ardennen finden solche Fallen noch heute Verwendung, und das in schwindelerregend großer Zahl. Gemäß dem Komitee gegen den Vogelmord sind in den Ardennen zur Fangzeit hunderttausende Rosshaarschlingen montiert. In Deutschland hat man sie vor langer Zeit ebenfalls eingesetzt, um den Speiseplan aufzubessern, doch das gehört glücklicherweise längst der Vergangenheit an. Weil Vögel heute EU-weit unter besonderem Schutz stehen, sind Rosshaarschlingen in ganz Europa verboten. Lediglich in Frankreich ist das nicht der Fall. Dort haben die Vogelfänger sogar die behördliche Erlaubnis, Rosshaarschlingen anzubringen. Die französischen Behörden, die diese Genehmigungen erteilen, widersetzen sich damit geltendem EU-Recht zum Vogelschutz.