Schwirrflug

Beitrag von Gaby Schulemann-Maier, Team Wildvogelhilfe

Weiblicher Vulkan-Kolibri (Selasphorus flammula), © Gaby Schulemann-Maier
Weiblicher Vulkan-Kolibri (Selasphorus flammula), © Gaby Schulemann-Maier

Der Schwirrflug ist eine besonders beeindruckende Art des Fliegens, die nur von wenigen Vögeln beherrscht wird, genau genommen ausschließlich von den Kolibris. Typisch für den Schwirrflug ist, dass die Tiere ihre relativ kurzen Flügel in rascher Abfolge vorwärts und rückwärts bewegen. Dabei beschreiben die Flügelspitzen im Raum eine liegende Acht, während die Vögel ortsfest in der Luft stehen. Diese Art des Fliegens ist in weiten Teilen mit der eines Helikopters zu vergleichen. Indem Kolibris den Anstellwinkel ihrer Flügel ändern und dabei gleichzeitig Steuerbewegungen sowie Stöße mit ihrem meist aufgefächerten Schwanzgefieder ausführen, können sie sogar rückwärts fliegen – das kann keine andere Vogelart.

Kolibris benötigen für diese enorme Flugleistung einen sehr gehaltvollen Treibstoff: reinen Nektar. Sie müssen ständig „nachtanken“, um flugfähig zu bleiben. Ihre Körper sind klein und zierlich, damit die Tiere beim Fliegen nur ein Minimum an Masse bewegen müssen. Daher verwundert es nicht, dass der kleinste Vogel der Welt ein Kolibri ist: Die Bienenelfe (Calypte helenae) bringt es auf ein Gewicht von nur 1,6 bis 2 g  und eine Körperlänge von 5 bis 6 cm, siehe auch kleinster flugfähiger Vogel der Welt.

Männlicher Zwerg-Veilchenohr (Colibri thalassinus), © Gaby Schulemann-Maier
Männlicher Zwerg-Veilchenohr (Colibri thalassinus), © Gaby Schulemann-Maier

Der Stoffwechsel der Kolibris sowie ihr Herzschlag – bei manchen Arten sind es bis zu 1.200 Schläge pro Minute – sind ausgesprochen schnell, um die Höchstleistungen des Schwirrfluges gewährleisten zu können. Dadurch benötigen die meisten Kolibriarten auch im Ruhezustand viel Energie, weil die Muskulatur immer gut durchblutet und mit Sauerstoff versorgt werden muss, um keinen Schaden zu nehmen. Schlechtes Wetter, das länger als einen Tag andauert, kann deshalb für so manchen Kolibri zu einer lebensbedrohlichen Situation werden.

Die meisten Kolibriarten leben in Regionen der Erde, die in geradezu verschwenderischer Pracht mit Blüten ausgestattet sind. In der Karibik und im tropischen Mittel- sowie Südamerika beispielsweise finden Kolibris das ganze Jahr hindurch genügend Nektar, um sich ihren energiehungrigen Flugstil leisten zu können. Auch die vergleichsweise hohe Lufttemperatur kommt dem Lebenswandel der Tiere entgegen, da die Vögel nur geringe Energiemengen aufwenden müssen, um ihre Körperwärme auf einer konstanten Temperatur zu halten. Umso mehr Energie steht ihnen für Stoffwechsel und Flug zur Verfügung.

Weibliche Purpurkehlnymphe (Lampornis calolaema), © Gaby Schulemann-Maier
Weibliche Purpurkehlnymphe (Lampornis calolaema), © Gaby Schulemann-Maier

Doch nicht nur in warmen, tropischen Gefilden leben Kolibris. In den Höhenlagen der Anden gedeihen viele Pflanzen, sodass sich dort einige hochspezialisierte Kolibriarten ansiedeln konnten. Weil es dort keine Insekten gibt, sind sie die Bestäuber dieser Pflanzen und haben somit eine enge gegenseitige Beziehung mit ihnen. In den Hochanden wird es nachts jedoch oft sehr kalt, die Temperaturen fallen auf Werte in der Nähe des Gefrierpunktes. Die in diesen extremen Lebensräumen heimischen Kolibris fallen der nächtlichen Kälte jedoch nicht zum Opfer, weil sie sich an die harschen Bedingungen angepasst haben. Sie senken abends ihre Körpertemperatur und die Herzschlagfrequenz massiv ab und verfallen in eine Art Kältestarre. Man nennt diesen nächtlichen Starrezustand der Kolibris den Torpor. Auch manche in den Tropen beheimateten Kolibriarten verfallen nachts in diese Starre, um Energie zu sparen, obwohl die Umgebungstemperaturen nicht sonderlich niedrig sind.

Der Muskelapparat, mit dem Kolibris ihre Höchstleistungen erzielen, ist enorm stark. Auf einen Menschen übertragen würde dies bedeuten, dass er so viel Muskelleistung erzeugen würde, um damit 150 km/h schnell laufen zu können.

Erkunden Sie weitere Flugstile der Vögel im Übersichtskapitel Wunderwerk Vogelflug.

Linktipp: Den Kolibriflug in Zeitlupe zeigt ein englisches Video auf Youtube (© BBC Earth Unplugged).