Artistischer Flug

Beitrag von Gaby Schulemann-Maier, Team Wildvogelhilfe

Mitunter dient das Fliegen nicht allein als Fortbewegungsmethode, sondern erfüllt einen weiteren Zweck: Indem die Vögel bei akrobatischen Flugmanövern ihr Geschick beweisen, werben sie um die Gunst ihrer Partner. Oder sie müssen unter extremen Witterungs- und Windverhältnissen besonders artistisch fliegen, um nicht abzustürzen. Beispiele für beide Varianten des artistischen Flugs werden in diesem Kapitel erläutert.

Eissturmvogel (Fulmarus glacialis), © Gaby Schulemann-Maier
Eissturmvogel (Fulmarus glacialis), © Gaby Schulemann-Maier

In hohen nördlichen Breiten wehen oft kräftige Winde. Wer als Vogel in unwirtlichen polaren Regionen seine Heimat hat, muss sich den rauen klimatischen Gegebenheiten nicht nur in seinem Körperbau, sondern auch hinsichtlich der Flugkünste anpassen. Geradezu meisterlich ist dies den Eissturmvögeln (Fulmarus glacialis) gelungen. Mit ihrer Körpergröße von etwa 43 bis 52 cm und einer Flügelspannweite, die 101 bis 117 cm misst, haben diese nur 700 bis 900 g schweren Seevögel starken Windböen nicht viel entgegenzusetzen. Sie werden oft leicht zum Spielball des Windes.

Solange sie sich über dem offenen Meer aufhalten, ist es jedoch kein Problem für die Tiere, einige Meter weit verdriftet zu werden. Mit ihren schlanken, langen Flügeln können diese wendigen Flieger solche Situationen meist sehr gut bewältigen und sie drehen sich rasch so in den Wind, dass sie wieder die Kontrolle über die Richtung ihrer Fortbewegung erlangen. Außerdem wissen sie den Umstand für sich zu nutzen, dass der Wind unmittelbar über der Wasseroberfläche meist weniger stark ist, weshalb sie häufig sehr niedrig fliegen.

Eissturmvogel (Fulmarus glacialis) am Nistplatz, © Gaby Schulemann-Maier
Eissturmvogel (Fulmarus glacialis) am Nistplatz, © Gaby Schulemann-Maier

Befinden sich Eissturmvögel hingegen im Landeanflug auf ihren Nistplatz – diese Vögel ziehen ihren Nachwuchs für gewöhnlich in steilen Felswänden auf -, könnte eine Windbö tödliche Folgen für sie selbst oder ihren Nachwuchs haben. Würden die Vögel vom Wind erfasst und gegen die Felsen geschmettert, könnten sie sich schwer verletzen oder gar ihren Nachwuchs im Nest erschlagen. Um vom Wind nicht gegen die Klippen geschleudert zu werden, müssen Eissturmvögel Rumpfrollen oder andere artistische Ausweichmanöver während des Fluges vollziehen können. So manches Individuum dieser Tierart scheint regelrecht Spaß an den ungewöhnlichen Bewegungen in luftiger Höhe zu haben, denn bereits mehrfach wurden die Vögel dabei beobachtet, wie sie mehrere Freiluft-Purzelbäume hintereinander durchführten, ohne dass in der jeweiligen Situation eine Notwendigkeit für dieses Verhalten erkennbar gewesen wäre.

Erzrabe (Corvus crassirostris), © Lip Kee Yap via Flickr
Erzrabe (Corvus crassirostris), © Lip Kee Yap via Flickr

Loopings und Schrauben bei halsbrecherischem Tempo zu fliegen, beherrschen auch die im Sudan und Äthiopien lebenden, bis zu 64 cm großen Erzraben (Corvus crassirostris). Insbesondere während der Partnerwerbung oder bei Revierstreitigkeiten fliegen die Vögel Manöver, die einem Zuschauer den Atem stocken lassen. Im Flug greifen sie mit ihren Füßen nach denen eines Artgenossen und nutzen den Impuls, um sich ineinander gekrallt mit Schwindel erregendem Tempo um die gemeinsame Achse zu drehen. Bei diesen Drehungen verlieren die Vögel langsam an Höhe. Um nicht auf den Boden zu prallen, lassen sie einander rechtzeitig los, um getrennt wieder nach oben zu fliegen und die ungewöhnliche „Karussellfahrt“ gegebenenfalls zu wiederholen. Ebenso vollführen manche Greifvogelarten, insbesondere Adler, derartige Pirouetten in der Luft.

Erkunden Sie weitere Flugstile der Vögel im Übersichtskapitel Wunderwerk Vogelflug.