Leimruten

Beitrag von Gaby Schulemann-Maier, Team Wildvogelhilfe

Wer wie einige Südeuropäer Singvögel fangen möchte, um sie zu essen, muss auf eine Methode zurückgreifen, bei der der Körper nicht oder nur wenig beschädigt wird. Auf die zierlichen Vögel zu schießen, würde wenig bringen, denn wenn ein Geschoss sie mit hohem Tempo trifft, bleibt von den Tieren wenig übrig, das man noch essen könnte. Deshalb wurden Fangmethoden ersonnen, mit denen die Tiere festgesetzt werden, ohne dass der Körper zu sehr geschädigt wird – was jedoch nicht bedeutet, dass die Vögel kein Leid und keine Schmerzen empfinden. Zu den Methoden, bei denen kleine Vögel so gefangen werden, dass sie hinterher noch gegessen werden können, gehört der Einsatz sogenannter Leimruten.

Rotkehlchen mit Leim eines Fliegenfängers im Gefieder, © Sylvia Urbaniak
Rotkehlchen mit Leim eines Fliegenfängers im Gefieder, © Sylvia Urbaniak

Hierfür werden an bei den Zugvögeln beliebten Rastplätzen mit Leim präparierte Äste (Ruten) platziert. Diese Äste sehen für die Vögel aus wie attraktive Plätze zum Übernachten und sie ahnen nichts von der Gefahr. Landen sie auf einer Leimrute, bleiben sie mit den Füßen und mit den Federn daran kleben. Sie versuchen verzweifelt zu entkommen und strengen sich so sehr an, dass sie letztlich meist an Erschöpfung sterben. Wie lange ihre Todesqualen dauern, ist individuell verschieden. Manche Vögel halten ein paar Stunden durch, andere viel länger. Und selbst wenn es einem Vogel gelingt, sich doch zu befreien, ist das Gefieder häufig so stark verklebt, dass er nicht mehr fliegen kann und in unmittelbarer Nähe der Leimruten zu Boden geht. Dort kann er nicht überleben, es sei denn, er wird von einem Fallensteller gefunden. Manchmal werden die verklebten, noch lebenden Tiere dann in der Nähe der Fallen angebunden, um weitere Artgenossen ins Verderben zu locken. Weil viele Vogelarten in Gruppen ziehen, landen meist gleich mehrere Vögel auf einer Leimrute, was diese Jagdmethode für die Jäger durchaus erfolgreich macht. Für die Vögel ist diese Fangmethode dagegen überaus unangenehm, denn die Tiere haben sicherlich große Angst und Schmerzen, wenn sie ihre verklebten Gliedmaßen verdrehen. Hierzulande sieht man solche Fälle nur, wenn sich ein Vogel in einem Fliegenfänger verfängt und glücklicherweise sterben die Tiere meist nicht, aber die Gefiederreinigung ist sehr aufwändig.

Eingesetzt werden Leimruten beispielsweise in einem großen Gebiet in Frankreich, das vom Zentralmassiv bis zur Provence reicht. Weitere Beispiele für Gegenden, in denen mit Leimruten gejagt wird, sind das östliche Spanien und Zypern. Problematisch an Leimruten ist, dass sie wie viele andere Fangmethoden die Opfer nicht selektieren. Wer auch immer sich auf einem mit Leim bestrichenen Ast niederlässt – und das können sehr viele Vogelarten sein -, kommt sehr wahrscheinlich zu Tode. Leimruten unterscheiden dabei nicht zwischen häufigen und sehr seltenen Vogelarten. Doch so oder so sind alle Vögel gemäß der EU-Gesetze geschützt und die Jagd, die in Südeuropa stattfindet, ist nicht legal. Das Allerschlimmste ist: Nicht überall werden die erbeuteten Vögel auch gegessen. Teils wird die Vogeljagd nur als „Sport“ angesehen. Wer die meisten Vögel tötet, ist unter seinesgleichen etwas Besonderes.

Auch in Deutschland wurden vor langer Zeit Vögel mit Leimruten gejagt, als die arme Bevölkerung ihren Speiseplan noch mit deren Fleisch aufbessern wollte. Die heute noch immer gebräuchliche Redewendung „jemandem auf den Leim gehen“ ist auf den Einsatz von Leimruten zurückzuführen.