Begriffe rund um den Vogelzug

Beitrag von Gaby Schulemann-Maier, Team Wildvogelhilfe

Der Vogelzug ist faszinierend und weckt das Interesse vieler Menschen. Kaum aber schlägt man als unbedarfter Laie ein Vogelbestimmungsbuch auf, wird man mit Begriffen konfrontiert, die man vermutlich noch nie zuvor in seinem Leben gehört hat. Zum Glück lässt sich das vogelkundliche Fachchinesisch recht leicht „übersetzen“.

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Was ist ein Zugvogel?

Zu den bekannteten Vertretern der Zugvögel gehören in Mitteleuropa die Kraniche (Grus grus), © Gaby Schulemann-Maier
Zu den bekannteten Vertretern der Zugvögel gehören in Mitteleuropa die Kraniche (Grus grus), © Gaby Schulemann-Maier

Kurz und bündig formuliert, lautet die Definition: Als Zugvögel bezeichnet man alle Vogelarten, die zwischen ihrem Sommer- und Winterquartier zweimal im Jahr wandern. Einige Beispiele für Zugvögel, die in unseren Breiten vorkommen, sind Kraniche, Mauersegler, Eiderenten und Rauchschwalben. Nicht alle Zugvögel, die man in Deutschland beobachten kann, sind zur selben Zeit hier.

Ein Großteil der Arten verbringt den Winter im Süden und kommt im Frühling zurück nach Mitteleuropa, um hier den Nachwuchs großzuziehen. Neben diesen Zugvögeln gibt es auch welche, die in hohen nordischen Breiten brüten und dann zur Überwinterung in den Süden ziehen – also nach Mitteleuropa. Diese Zugvögel sind bei uns nur im Winterhalbjahr zu sehen.

Hinzu kommt, dass nicht alle Vogelarten gleich weit ziehen, weil die Überwinterungsgebiete oder die Sommerquartiere je nach Art unterschiedlich weit voneinander getrennt wird. Entsprechend der Länge der Strecke, die die Vögel zurücklegen, werden sie benannt. Ferner gibt es Vogelarten, bei denen nicht alle Individuen im Winter wegziehen, sondern zum Beispiel nur die Jungvögel.


Was ist ein Kurzstreckenzieher?

Rotkehlchen (Erithacus rubecula), © Oldiefan / Pixabay
Rotkehlchen (Erithacus rubecula), © Oldiefan / Pixabay

Diejenigen Vogelarten, deren Überwinterungsgebiete maximal 2.000 km (selten mehr) von ihren Brutgebieten entfernt liegen, bezeichnet man als Kurzstreckenzieher. Denn verglichen mit den Zugstrecken anderer Vogelarten sind ihre Wanderwege relativ kurz. Zu den bekanntesten Kurzstreckenziehern gehören in Mitteleuropa die Rotkehlchen. Es wirkt auf uns so, als würden wir in unserem Umfeld immer dieselben Individuen beobachten, dem ist jedoch nicht so. Die Individuen, die wir im Winter am Futterplatz, im Garten oder in freier Natur antreffen, haben den Sommer in Nord- oder Nordosteuropa verbracht und verweilen während des Winters in Mitteleuropa, wo es für sie klimatisch günstiger ist. Im Spätwinter und zeitigen Frühling wandern sie ab und gleichzeitig wandern jene Rotkehlchen zu, die den vergangenen Sommer bei uns verbracht haben und im Herbst nach Südwesteuropa oder in die Mittelmeergegend gezogen sind. Von dort kehren sie zurück, um in Mitteleuropa zu brüten. Im Herbst wandern sie wieder gen Süden, während ihre nordischen Verwandten ihren Platz bei uns einnehmen.


Was ist ein Langstreckenzieher?

Weißstorch (Ciconia ciconia), © blickpixel / Pixabay
Weißstorch (Ciconia ciconia), © blickpixel / Pixabay

Als Langstreckenzieher werden jene Vogelarten bezeichnet, deren Brutgebiete in aller Regel mehr als 4.000 km von ihren Überwinterungsquartieren entfernt liegen. Die Überwinterungsgebiete der meisten mitteleuropäischen Langstreckenzieher befinden sich südlich der Sahara, manche Arten ziehen sogar bis in die gemäßigten Zonen des südlichen Teils von Afrika. Fast alle Langstreckenzieher reisen während der Nacht. Langstreckenzieher werden auch als Fernzieher oder Weitstreckenzieher bezeichnet. Prominente Beispiele für diese Gruppe der Zugvögel sind der Kuckuck und der Weißstorch.

Auf die Spitze treibt es die Küstenseeschwalbe, die im Frühling in den nördlichen Polarregionen brütet und den Winter auf der anderen Seite der Erde in der Südpolarregion verbringt, siehe auch unser Kurzbeitrag längste Zugstrecke in unserer Sammlung von Rekorden aus der Vogelwelt.


Was ist ein Teilzieher?

Mäusebussarde (Buteo buteo) sind in Mitteleuropa Teilzieher, © Magnus Larsson via Flickr
Mäusebussarde (Buteo buteo) sind in Mitteleuropa Teilzieher, © Magnus Larsson via Flickr

Unter Teilziehern versteht man Vogelarten, bei denen nicht alle Individuen aus ihrem sommerlichen Verbreitungsgebiet abwandern. So bleiben beispielsweise die Altvögel während des Winters im Brutgebiet, während die Jungvögel nach ihrem ersten Sommer in den Süden fliegen und erst später in ihrem Leben nicht mehr wegziehen, wenn sie selbst Nachwuchs großgezogen haben.

Es gibt eine weitere Gruppe von Teilziehern unter den Vögeln. Bei manchen Arten haben Populationen in weit auseinander liegenden mitteleuropäischen Gebiete unterschiedliche Zuggewohnheiten. Hierbei kann es vorkommen, dass die Population A einer Vogelart, die im Sommer in Norddeutschland lebt, den Winter dort verbringt. Die Population B derselben Vogelart, die während des Sommers in Polen verweilt, wandert hingegen im Herbst ab in die wärmere Mittelmeerregion. Dies lässt sich dadurch erklären, dass Norddeutschland im Winter wegen des Einflusses des atlantischen Klimas wärmer ist als Polen, das vom eisigen Festlandklima geprägt ist. Manche Vogelarten, die zu den Teilziehern gehören, versuchen eine Überwinterung im Brutgebiet und ziehen dann doch weg, falls die Witterungsbedingungen zu schlecht werden.

Mönchsgrasmücken (Sylvia atricapilla) versuchen inzwischen immer öfter in Mitteleuropa zu überwintern, © Tony Morris via Flickr
Mönchsgrasmücken (Sylvia atricapilla) versuchen inzwischen immer öfter in Mitteleuropa zu überwintern, © Tony Morris via Flickr

Etwa 60% der rund 400 Brutvogelarten, die in Europa heimisch sind, gehören zu den Teilziehern. Zudem nimmt die Zahl der Teilzieher in Mitteleuropa seit einigen Jahren zu. Immer mehr Vögel bleiben im Winter in unseren Breiten, weil die Winter im Zuge der Klimaerwärmung milder werden. Beispiele für Teilzieher sind die Mäusebussarde. Die Mönchsgrasmücken sind Vertreter jener Teilzieher, die ihre alten Zuggewohnheiten zusehends aufgeben. Viele dieser Vögel nutzen die Klimaerwärmung für sich und verweilen inzwischen ganzjährig in den Brutgebieten.


Was ist ein Standvogel?

Turmfalken (Falco tinnunculus) sind Standvögel und verweilen somit das gesamte Jahr über in derselben Gegend, © Paul Roberts via Flickr
Turmfalken (Falco tinnunculus) sind Standvögel und verweilen somit das gesamte Jahr über in derselben Gegend, © Paul Roberts via Flickr

Der Begriff „Standvögel“ bezeichnet diejenigen Vogelarten, die das gesamte Jahr am selben Ort verbringen. Sie sind meist sehr standorttreu. In manchen Literaturquellen werden diese Tiere auch als Jahresvögel bezeichnet, was nicht mit dem Vogel des Jahres verwechselt werden sollte, der von Naturschutzorganisationen jährlich gekürt wird.

Einige Beispiele für in Mitteleuropa beheimatete Standvögel sind der Zaunkönig, der Turmfalke, die Elster und der Graureiher.


Was ist ein Strichvogel?

Goldammern (Emberiza citrinella) sind in Mitteleuropa Strichvögel, © tpsdave / Pixabay
Goldammern (Emberiza citrinella) sind in Mitteleuropa Strichvögel, © tpsdave / Pixabay

Als Strichvögel bezeichnet man diejenigen heimischen Arten, die im Herbst und Winter ihr Brutgebiet verlassen, hierbei aber keine Wanderungen in südliche Richtung unternehmen. Sie bleiben anders als die Zugvögel in unseren Breiten. Ist es im Winter sehr kalt, suchen sie etwas wärmere Gebiete in nicht allzu großer Entfernung auf, sie ziehen also beispielsweise in einen anderen Landstrich, woraus sich ihr Name ableitet. So mancher Strichvogel wandert aus seinem Brutrevier in freier Natur ab, um in die klimatisch günstigeren und somit wärmeren urbanen Areale zu ziehen. Das heißt, manche Strichvögel kommen im Winter in die Städte. Beispiele für in Mitteleuropa heimische Strichvögel sind die Goldammer und der Grünfink.


Was ist ein Durchzügler?

Sichelstrandläufer (Calidris ferruginea) treten in Deutschland meist nur als Durchzügler in Erscheinung, © Dave Curtis via Flickr
Sichelstrandläufer (Calidris ferruginea) treten in Deutschland meist nur als Durchzügler in Erscheinung, © Dave Curtis via Flickr

Einige Vogelarten brüten in sehr hohen nördlichen Breiten und verbringen den Winter beispielsweise in Afrika oder im Mittelmeerraum. Während sie von einem Standort zum anderen fliegen, passieren sie Mitteleuropa und damit auch Deutschland. Sie befinden sich hierzulande nur auf der Durchreise und landen mancherorts, um für einige Tage oder sogar nur Stunden zu rasten. Diese Vögel werden als Durchzügler bezeichnet. Ein Beispiel für jene Vogelarten, die man während des Frühlings- und Herbstzuges in Deutschland mancherorts während der Rast beobachten kann, ist der Sichelstrandläufer.


Was ist ein Brutvogel?

Mehlschwalben (Delichon urbica) sind sowohl Zugvögel als auch Brutvögel, die in Mitteleuropa ihren Nachwuchs großziehen, Ihre Nester bauen sie aus Lehm. © Gaby Schulemann-Maier
Mehlschwalben (Delichon urbica) sind sowohl Zugvögel als auch Brutvögel, die in Mitteleuropa ihren Nachwuchs großziehen, Ihre Nester bauen sie aus Lehm. © Gaby Schulemann-Maier

Wie der Name bereits andeutet, handelt es sich hierbei um Vogelarten, die in einem bestimmten Gebiet brüten. Bei ihnen kann es sich sowohl um Zugvögel als auch um Standvögel handeln. Allein Durchzügler, die sich in einem Landstrich lediglich im zeitigen Frühjahr oder im späten Herbst aufhalten, sind mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keine Brutvögel in jener Gegend. Einige Beispiele für in Mitteleuropa heimische Brutvogelarten sind die Mehlschwalbe, der Graureiher, die Tafelente und der Haussperling.


Was ist ein Sommervogel?

Der Wiedehopf (<em>Upupa epops</em>) kommt in einigen Teilen Deutschlands als Sommervogel vor, © Ján Svetlík via Flickr
Der Wiedehopf (Upupa epops) kommt in einigen Teilen Deutschlands als Sommervogel vor, © Ján Svetlík via Flickr

Verbringt eine Vogelart den Sommer an einem bestimmten Ort, wird sie in diesem geografischen Bereich als Sommervogel bezeichnet. Einige Literaturquellen sprechen in Zusammenhang mit diesen Tieren von sogenannten Sommergästen, denn es handelt sich bei Sommervögeln in aller Regel um Zugvögel, die in der entsprechenden Region nur saisonal vorkommen. Zu den Sommervögeln, die man in Mitteleuropa antreffen kann, gehören unter anderem die Nachtigall, der Wiedehopf, der Weißstorch und die Rauchschwalbe.


Was ist ein Überwinterer?

Nonnengänse (Branta leucopsis) sind Zugvögel, die in nordischen Gegenden brüten und den Winter beispielsweise an der deutschen Nordseeküste verbringen, © Gaby Schulemann-Maier
Nonnengänse (Branta leucopsis) sind Zugvögel, die in nordischen Gegenden brüten und den Winter beispielsweise an der deutschen Nordseeküste verbringen, © Gaby Schulemann-Maier

Die Bezeichnung Überwinterer ist wörtlich zu nehmen. Es handelt sich hierbei um Vogelarten, die in einer bestimmten Gegend überwintern und zu den Zugvögeln gehören; den Sommer verbringen sie in nördlicheren Gegenden. Auch etliche Teilzieher aus nordischen Gegenden oder Nordost-Europa überwintern in Deutschland und verstärken zeitweise die hierzulande vorhandene Population ihrer Art. In manchen Büchern heißen Überwinterer auch Wintervögel oder ganz einfach Wintergäste. Zu den Zugvögeln, die in Deutschland und in anderen mitteleuropäischen Ländern überwintern, gehören unter anderem die Eiderente und die Nonnengans.