Kleiber – der Vogel des Jahres 2006
Beitrag von Gaby Schulemann-Maier, Team Wildvogelhilfe, Oktober 2005
Er gehört zu den in Deutschland recht weit verbreiteten Singvögeln und ist vielen Menschen schon einmal begegnet: der Kleiber. Der Anblick dieser überwiegend bläulich bis blaugrau gefärbten, oft kopfüber hängend an einen Baumstamm geklammerten munteren Gesellen ist hierzulande zum Glück nicht selten. Dennoch haben der NABU und der LBV den Kleiber zum Vogel des Jahres 2006 gekürt, weil die Naturschützer damit ein Zeichen für den Schutz und Erhalt der Buchen- sowie Eichenwälder setzen wollten. Die Kampagnenausrichter betonten, der Kleiber (Sitta europaea) stehe stellvertretend für einen Lebensraum in Deutschland und in ganz Mitteleuropa, der für viele weitere Vögel, darunter Spechte, Meisen oder Greifvögel, unverzichtbar für ein Weiterbestehen der Arten sei.
Sehr interessant ist die Biologie des Kleibes. Die nur etwa 12,0 bis 14,5 cm großen Vögel geben unseren Wäldern die charakteristische Stimme, wenn die Kleiber-Männchen ab Dezember bis ins Frühjahr hinein ihre Gesänge vortragen. Laut schallt dann ihr „wi wi wi“ durch die Landschaft, Klangbeispiele gibt es auf Xeno-canto.org. Kleiber haben zudem eine beeindruckende Fähigkeit: Keine andere in Deutschland heimische Vogelart kann wie sie kopfüber an Baumstämmen hinunterlaufen.
Der Körperbau des Kleibers ist recht kompakt und der Kopf wirkt vergleichsweise groß. Das Gefieder ist auf der Körperoberseite sowie auf dem Oberkopf blaugrau gefärbt. Von der Schnabelbasis aus erstreckt sich über die Augen bis hin zur Schulter auf beiden Seiten des Kopfes je ein schwarzer Streif. Im Gesicht sind die Federn hellgrau bis cremefarben, die Färbung der Körperunterseite variiert in Europa von hellbeige bis rostrot.
Seinen Namen hat der gefiederte Waldbewohner übrigens aufgrund seiner Eigenschaft erhalten, den Eingang seiner Bruthöhle mit Lehmkügelchen zu verkleben, um das Einflugloch so zu verkleinern, dass nur noch er selbst hindurch passt. „Kleibern“ ist ein alter Ausdruck für „Kleben“, woraus sich direkt der deutsche Name der Vogelart ableitet.
„Der Kleiber benötigt ältere Bäume, in denen er nisten kann“, erklärte der damalige NABU-Vizepräsident Helmut Opitz im Jahr 2005 anlässlich der Wahl des Kleibers zum Vogel des Jahres 2006. Aus diesem Grunde sei eine nachhaltige Forstwirtschaft gleichzeitig der beste Schutz für den Kleiber. Nach Schätzungen leben derzeit etwa 600.000 bis 1,4 Millionen Kleiber-Brutpaare in Deutschland (Stand: Herbst 2005). Dies entspreche mindestens 8% des gesamten europäischen Bestandes der Vogelart, so der NABU-Experte.
Steckbrief des Kleibers
Wissenschaftlicher Name: Sitta europaea
Größe: 12,0 bis 14,5 cm
Nahrung: Erwachsene Kleiber ernähren sich überwiegend von Spinnen, Insekten und Samen. Jungtiere werden häufig mit Raupen gefüttert. Im Winterhalbjahr stehen außerdem fetthaltige Samen wie beispielsweise Nüsse und Bucheckern auf dem Speiseplan der Kleiber. Mit ihrem Schnabel hämmern die Vögel auf die Samen ein, dafür klemmen sie sie mitunter in kleine Spalten an der Rinde von Bäumen. Wenn Kleiber auf Samen einhacken, erinnern sie ein wenig an Spechte, weshalb sie im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Spechtmeisen bezeichnet werden. Aber Achtung, sie sind weder mit Spechten, noch mit Meisen verwandt.
Fortpflanzung: In hoch gelegenen Bruthöhlen, die sich mehrere Meter weit über dem Boden befinden, ziehen die Kleiber ihren Nachwuchs groß. Im zeitigen Frühjahr, also im März, beginnt diese Vogelart mit dem Nestbau, nachdem potenziell geeignete Bruthöhlen schon im vorangegangenen Herbst inspiziert und im Februar gereinigt worden sind. Die Weibchen bauen das Nest aus und legen in den tieferen Lagen Mitteleuropas im zweiten und dritten Drittel des Monats April die Eier in die Bruthöhle. Das Gelege besteht für gewöhnlich aus sechs bis sieben Eiern. Anfang Juni verlassen die Jungtiere das Nest. Selten brüten die Eltern danach erneut.
Lebensraum: In erster Linie ist der Kleiber in höhlenreichen Altholzbeständen anzutreffen, hierbei bevorzugt er lichte Laub- und Laubmischwälder mit Bäumen, deren Rinde rau ist. Nicht nur in Wäldern, sondern auch in Feldgehölzen, die jedoch nicht zu isoliert stehen sollten, sowie in Baumhecken, Parkanlagen, Alleen und großen Gärten kann man Kleiber antreffen.
Zugverhalten: Kleiber sind ihrem Revier normalerweise ganzjährig treu. Jungtiere suchen sich nach dem Erreichen der Selbstständigkeit eigene Reviere und ziehen deshalb lokal umher.
Gefährdung und Schutz: Glücklicherweise ist der Bestand von geschätzten 600.000 bis 1,4 Millionen Brutpaaren in Deutschland recht stabil, der Kleiber gilt nicht als gefährdete Art (Stand: Oktober 2005). Es ist jedoch bereits jetzt zu befürchten, dass der Bestand in Zukunft kleiner werden könnte, weil sein Lebensraum durch ökonomische Zwänge der Forstwirtschaft in Bedrängnis geraten könnte. Aus diesem Grunde müssen in Zukunft die Schutzbemühungen auf die Rotbuchen- und Eichenwälder konzentriert werden, wodurch automatisch auch dem Kleiber geholfen wird.
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