Tauben in unseren Städten
Beitrag von Anke Dornbach, Team Wildvogelhilfe
Wie gut, dass es am Marktplatz die Eisdiele mit diesem leckeren Eis in der Riesenwaffel gibt. Es ist heiß und ich setze mich gemütlich auf eine Bank, um das Eis zu schlecken. Leute hasten vorbei, um schnell nach der Arbeit noch möglichst viel zu erledigen. Ich habe heute einmal Zeit, Zeit zum Beobachten und Nachdenken.
Niemand nimmt weiter Notiz von mir, jeder ist mit sich selbst beschäftigt und mit dem, was er noch zu besorgen hat. Plötzlich blicke ich in zwei große, rotbraune Augen. Sie sehen mich stumm an, abwartend, bittend. Eine graue Taube steht vor mir. Ich breche ein Stück von der Waffel ab und werfe es zu ihr hin. Die Taube pickt das Gebäck gierig auf und ich gebe ihr mehr, ein Stück nach dem anderen, bis sie die ganze Waffel aufgegessen hat.
Gerade beginne ich, in Gedanken darüber zu versinken, wie wohl das Leben dieser Taube aussehen mag, als eine Frau mich jäh aufschreckt. „Tauben füttern ist verboten!“, kreischt sie selbstzufrieden und wirft mir einen geringschätzigen Blick zu. Die Taube sucht eilends das Weite. Meine gute Stimmung ist schlagartig vorbei. Ich mache mich auf den Heimweg, den Kopf voller Fragen auf der Suche nach Antworten:
„Warum habe ich bisher nie ernsthaft über die Tauben in unseren Städten nachgedacht?“
„Was finden die Tauben denn überhaupt zu fressen?“
„Wer sorgt für sie, wie leben sie eigentlich?“
„Ist das Füttern von Tauben wirklich verboten? Warum?“
„Welche Gefühle leiten diese ältere Dame? Warum hat sie das zu mir gesagt?“
„Kann ich den Tauben irgendwie helfen?“
Diese Fragen noch im Hinterkopf, lese ich einige Zeit später einen Zeitungsartikel: „Tauben haben keine Lobby“ lautet die Überschrift. Dieser kurze Bericht Anfang 1996 sollte der Beginn meiner intensiven Beschäftigung mit den Stadttauben werden.
Eine sehr engagierte Tierfreundin (Margrit Vollertsen-Diewerge), mit der mich inzwischen eine langjährige Freundschaft verbindet, hatte den Artikel geschrieben. Nach dem Lesen dieses Artikels rief ich sie spontan an und wurde eingeladen, die Taubenstationen zu besichtigen und bei der Betreuung der Tiere selbst mit anzupacken.
Die Dame hatte ein Jahr zuvor in Eigeninitiative die erste Taubenstation in der Stadt Erlangen eingerichtet, nachdem sie zunächst das Abschießen der Tiere in der Stadt erfolgreich unterbinden konnte. Dann musste jedoch eine alternative Lösung des „Taubenproblems“ her. Nach einiger Recherche stieß sie auf das damals noch neue „Aachener Konzept“. Dieses bestand darin, die vorhandene Stadttaubenpopulation auf sinnvolle, effektive und tierschutzgerechte Weise zu regulieren und gesund zu erhalten. Weitere Recherchen ergaben, dass solch ein Modell nicht nur in Aachen existierte, sondern auch auf Bundesebene. Denn Tierschutzgruppen aus vielen Städten hatten sich zur Bundesarbeitsgruppe Stadttauben zusammengeschlossen. Auch im nächsten Kapitel dieses Beitrags können Sie mehr über diese Arbeitsgruppe erfahren.