Erstversorgung sehr junger Singvogel-Nestlinge

Erst wenige Tage alte Nestlinge von Singvögeln sind die empfindlichsten Vertreter unter den Jungvögeln in menschlicher Obhut, bei denen der kleinste Fehler über Leben und Tod entscheiden kann.Ist ein Zurücksetzen in das Nest nicht möglich, brauchen sie schnellstmöglich die richtige Hilfe, um zu überleben.
Bitte schicken Sie uns am besten Bilder von verschiedenen Seiten des Vogels an wildvogelhilfe@wildvogelhilfe.org , damit wir bei der Bestimmung helfen können, welche für das richtige Futter wichtig ist.


Das Wichtigste in Kürze:

  • Wärmen Sie den Vogel.
  • Geben Sie kein Wasser.
  • Füttern Sie erst, wenn der Vogel sich warm anfühlt.
  • Füttern Sie ausschließlich frische Insekten, zum Beispiel gefangene Fliegen.
  • Keine Regenwürmer, keine lebenden Maden und Mehlwürmer oder anderes Futter als frische, abgetötete Insekten geben.

Die wichtigste Maßnahme vor allem Anderen ist Wärmezufuhr.
Wärmen Sie die unbefiederten Nestlinge zuerst in Ihren Händen behutsam, bis sich die kleinen Körper warm anfühlen. Handhygiene ist gerade bei solchen Winzlingen von besonderer Bedeutung, um eine mögliche Infektion mit menschlichen Hautbakterien zu vermeiden. Gründliches Händewaschen mit Seife vor jeder Berührung des Nestlings genügt in der Regel.

Wärmen Sie danach ein Kirschkern- oder Körnerkissen auf, oder füllen Sie eine Wärmflasche, oder eine PET-Flasche mit warmem (nicht heißem) Wasser.
Die Wärmequelle muss regelmäßig wieder aufgewärmt werden, auch nachts, um ein Auskühlen der Vögel zu vermeiden.
Sehr praktisch sind Wärmeplatten (Snuggle Safe), die in der Mikrowelle erwärmt werden und bis zu acht Stunden lang warm halten. Eine elektrische Reptilienheizmatte, am besten mit Thermostat, hat sich als besonders praktikabel erwiesen.


Isoliertasche mit Handtuch und Wärmflasche, © Anke Dornbach
Isoliertasche mit Handtuch und Wärmflasche, © Anke Dornbach

Suchen Sie sich nun einen geeigneten Behälter, um eine warme Unterkunft für den Nestling zu bereiten. Ideal sind in diesem Fall standfeste Isoliertaschen (Kühltaschen) oder auch Styroporboxen, weil sie über längere Zeit die Wärme speichern können. Wenn Sie so etwas nicht haben, genügt auch eine größere Plastikbox bzw. -wanne. Der Behälter ist vorher gründlich zu reinigen und am besten auch zu desinfizieren.

Legen Sie auf den Boden ein weiches Handtuch und darauf die Wärmequelle. Wärmflaschen sollten in ein Handtuch gewickelt werden oder in eine weiche Hülle gesteckt werden.

 

Schnelles Ersatznest aus einer aufgerollten Wollsocke, © Anke Dornbach
Schnelles Ersatznest aus einer aufgerollten Wollsocke, © Anke Dornbach

Stellen Sie auf die Wärmequelle ein Ersatznest aus einer aufgerollten Wollsocke. Praktischer ist langfristig ein Häkelnest. In das Nest kommt etwas Toilettenpapier oder ein Papiertaschentuch, welches nach jedem Kotabsatz zu wechseln ist.
Bitte verzichten Sie auf einen Nestersatz aus Kunststoff, da dieser eine sehr geringe thermische Leitfähigkeit besitzt, wodurch der Wärmetransport von der Wärmequelle zum Vogel unterbunden oder stark behindert wird. Stellen Sie das Wollnest direkt auf die Wärmequelle.

Da eine hohe Luftfeuchtigkeit gerade für unbefiederte Nestlinge sehr wichtig ist, wickelt man um den Nestersatz ein feuchtes Tuch und legt es ebenfalls mit auf die Wärmequelle. Die Luftfeuchtigkeit sollte 50- 60 % betragen.
Die Kiste wird nun zu zwei Dritteln mit einem feuchten Handtuch abgedeckt und mit Hilfe eines Thermometers die Temperatur im Nest gemessen. Sie sollte etwa 32 – 35 Grad betragen. Schließen Sie niemals den Deckel des Behälters und achten Sie auf ausreichende Frischluftzufuhr, damit der Vogel nicht ersticken kann.

Wenn Sie das alles fertig haben, kann der Nestling in das Nest gesetzt werden.

 

Alternativ eignet sich auch ein Inkubator aus einer Styroporbox mit Wärmematte.


Frisch geschlüpfte Amsel mit sichtbarem Dottersack, © Elisabeth Volkmer
Frisch geschlüpfte Amsel mit sichtbarem Dottersack, © Elisabeth Volkmer

Ist der Nestling gewärmt und gut untergebracht, werden in der Regel auch die Lebensgeister langsam zurück kommen und der Vogel den Kopf mit geöffnetem Schnabel nach oben recken.

Gerade erst aus dem Ei geschlüpfte Jungvögel benötigen während der ersten zehn bis zwölf Lebensstunden erst einmal kein oder nur sehr wenig Futter, da sie sich während dieser Zeit noch vom Dottersack ernähren, der sich nach und nach zurück zieht.

Kontrollieren Sie die Verdauung, es sollte regelmäßig Kot abgesetzt werden, normalerweise im Anschluss an eine Fütterung. Ansonsten warten Sie bitte mit der weiteren Fütterung erst einen Kotabsatz ab.

Weil bei sehr jungen Nestlingen manchmal die Artbestimmung noch schwierig sein kann, ist man mit frischen Insekten erst einmal auf der sicheren Seite.

 

Junger Grünfinknestling, © Antonia Greco
Junger Grünfinknestling, © Antonia Greco

Zwar gibt es unter den heimischen Singvögeln auch wenige Arten, die ihren Nachwuchs vegetarisch aufziehen, doch auch diese Arten füttern in den ersten Lebenstagen, bis sich die Augen öffnen, ihre Jungen mit Insekten. Man erkennt junge Vegetarier an der typischen Schnabelform, dem lila gefärbten Schnabelinneren und den langen, hellen Dunenfedern am Körper. Ein typischer Vertreter der Vegetarier ist der Grünfink, dessen Befiederung auf dem nebenstehenden Bild gut zu erkennen ist.

Bitte denken Sie daran, uns Bilder zur richtigen Artbestimmung zu schicken.

Zur ersten Fütterung beschaffen Sie also bitte umgehend Insekten, zum Beispiel können Sie Fliegen fangen. Hier haben wir weitere Möglichkeiten beschrieben, wie man Insekten auftreiben kann.

Mikroheimchen und Drohnenbrut für sehr junge Nestlinge, © Anke Dornbach
Mikroheimchen und Drohnenbrut für sehr junge Nestlinge, © Anke Dornbach

Nach der Erstversorgung mit gefangenen Insekten besorgen Sie sich bitte im Zoohandel sehr kleine Heimchen (Mikroheimchen) bis maximal 1 cm Länge und fragen Sie einen Imker, ob Sie von ihm Drohnenbrut bekommen können, die Sie entsprechend der Beschreibung auf unserer Seite erst tief frieren und blanchieren müssen. Sind nur größere Heimchen zu bekommen, so achten Sie darauf, dass diese keine Flügel oder Legestachel besitzen. Von den größeren Heimchen werden nach dem Abtöten (Tieffrieren) Stückchen von den weichen Hinterteilen oder das Innere davon gegeben.

Beide sind wegen ihrer weichen Konsistenz hervorragend zur Fütterung sehr junger Nestlinge geeignet, da sie in kleinen Stückchen mit einer Pinzette gegeben und gut abgeschluckt werden können.

Sobald die Art sicher bestimmt ist, halten Sie sich bitte an die der jeweiligen Vogelart entsprechenden Fütterungshinweise.

Sehr junge Nestlinge werden alle 30 bis 45 Minuten gefüttert, und zwar von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang.