Leid der Martins- und Weihnachtsgänse

Eine Schar Hausgänse, © Alexas_Fotos / Pixabay
Eine Schar Hausgänse, © Alexas_Fotos / Pixabay

Gänsebraten gilt für viele Menschen als Delikatesse, die beispielsweise um Sankt Martin oder zum Weihnachtsfest beliebt ist. Beim Einkaufen wird leider nur allzu häufig möglichst billiges Gänsefleisch gewählt und das Leid, das die Tiere zu Lebzeiten erdulden mussten, wird ignoriert. Dem Team von Wildvogelhilfe.org ist das Schicksal des sogenannten Nutzgeflügels nicht gleichgültig, weshalb wir in diesem Kapitel darüber informieren, wie Gänse in konventionellen Betrieben oft behandelt werden – sowohl in Deutschland als auch im Ausland. Denn es geht uns hierzulande sehr wohl etwas an, wie beispielsweise in Frankreich Gänse zwangsernährt werden, um Stopfleber herzustellen, die in Deutschland nach wie vor verkauft werden darf, obwohl ihre Produktion bei uns verboten ist.


November und Dezember sind Gänsezeit

Gänseleber landet ebenso wie Gänsebraten häufig auf dem Teller, © Gesztenyes / Pixabay
Gänseleber landet ebenso wie Gänsebraten häufig auf dem Teller, © Gesztenyes / Pixabay

Jedes Jahr werben meist ab November viele Restaurants und Gaststätten sowie Supermärkte mit leckerem Gänsebraten, der hierzulande als traditionelles Festmahl gilt. Kaum jemand weiß jedoch, wie das Geflügel zu seinem Namen „Martinsgans“ kam. Das Federvieh spielte einst eine wichtige Rolle im Leben des Heiligen Martin, woher letztlich der Name rührt. Warum aber werden die Tiere zu Ehren dieses Mannes in den Ofen geschoben? Der Volksmund bringt es in einem Satz auf den Punkt: „Die Gänse Sankt Martin haben verraten, drum tut man sie jetzt braten.“ Demnach müssen heutige Gänse – überspitzt formuliert – für die Tat ihrer Urahnen vor vielen hundert Jahren büßen und landen zu Ehren des durch die Vögel „verratenen“ Soldaten in der Bratröhre.

Da sich der Mensch seit jeher unter anderem von Geflügel ernährt, dient dieser Brauch im Grunde ganz simpel dazu, an einem Festtag satt zu machen, und das mit einem Lebensmittel, das nicht jeden Tag auf den Tisch kommt. Einst galten die Gänse als etwas Besonderes und ihr Fleisch wurde nur zu speziellen Gelegenheiten gegessen. Es hat früher lang gedauert, das Nutzgeflügel bis zur Schlachtreife zu ernähren und die Tiere wurden in der Vergangenheit durchaus wertgeschätzt.

Gänsebrust und Gänsebraten sind bei vielen Menschen beliebte Speisen, © Romi / Pixabay
Gänsebrust und Gänsebraten sind bei vielen Menschen beliebte Speisen, © Romi / Pixabay

Weil der Gänsebraten im November und Dezember schon so lange gern gegessen wird, fragt sich heute bedauerlicherweise kaum jemand, woher das Fleisch eigentlich stammt und ob den Vögeln zu Lebzeiten Wertschätzung entgegengebracht wird. Die Gänsehaltung ist häufig eine ganz typische Massentierhaltung mit all ihren negativen Aspekten, vor denen viele Konsumenten lieber die Augen verschließen, weil das Thema so schrecklich unbequem ist. Hinzu kommt, dass ein nicht unerheblicher Teil des in Deutschland verkauften Gänsebratens in Osteuropa produziert wurde – unter teils extrem tierfeindlichen Bedingungen.

Wirtschaftliche Interessen stehen bei der Haltung von Nutzgeflügel aller Art häufig im Vordergrund. Traurige Resultate dieser Preispolitik sind neben Seuchen wie der Geflügelpest unter anderem der massenhafte Einsatz von Antibiotika und die Turbomast, die mit einer artgerechten Behandlung der Vögel rein gar nichts zu tun haben. Bei der Gänsemast in Deutschland, Österreich sowie in einigen weiteren EU-Ländern müssen die Tiere unvorstellbares Leid erdulden, bevor sie die Erlösung von ihren Qualen in Form der Schlachtung ereilt.

Damit die Gänse in möglichst kurzer Zeit viel Gewicht zulegen, pfercht man sie bei der konventionellen Haltung in großer Zahl auf engstem Raume zusammen. Der Besatz pro Stall ist bei weitem zu hoch, um den Tieren die Möglichkeit zu bieten, sich auch nur ansatzweise arttypisch verhalten zu können. Harter Betonboden und Kunstlicht sind nur zwei Beispiele der unnatürlichen Umweltbedingungen, unter denen die Vögel vor sich hin vegetieren müssen. Die Enge, das künstliche Licht sowie weitere Stressfaktoren wirken sich in vielen Fällen negativ auf die Gesundheit der Mastgänse aus.

Hausgans in einem Käfig, © Paul and Cathy via Flickr
Hausgans in einem Käfig, © Paul and Cathy via Flickr

Durch extreme Zuchtselektion hat der Mensch Gänserassen erschaffen, die binnen kürzester Zeit ihr Schlachtgewicht erreichen. Bedauerlicherweise ist dies für die Vögel untrennbar mit schmerzhaften Nebenwirkungen wie chronischen Gelenkentzündungen, Atemnot oder Knochenbrüchen verbunden. So wird die Mastdauer, die bei Freilandgänsen mindestens 20 Wochen beträgt, im Falle der Stallgänse auf etwa die Hälfte reduziert. – auf Kosten der Vögel, die nicht nur ein kurzes, sondern vor allem ein schmerzerfülltes Leben haben.

Angesichts all dieser unterschiedlichen Qualen, die das Nutzgeflügel durchmachen muss, sollte man sich kritisch fragen, ob es auch in diesem Jahr tatsächlich wieder eine Gans an Sankt Martin oder zu Weihnachten sein muss. Wer vom Fleisch der klugen Vögel nicht lassen kann, der sollte aus reiner Barmherzigkeit dazu bereit sein, ein paar Euro mehr für den Gänsebraten auszugeben und eine Freilandgans kaufen. Diesen Vögeln bleibt ein Großteil der oben beschriebenen Qualen erspart, weshalb sie in der „Erzeugung“ teurer sind. Noch besser wäre es natürlich für die Gänse, sich für ein vegetarisches Martins- oder Weihnachts-Festmahl zu entscheiden.


Horror-Delikatesse Stopfleber

Riesengroß, fettig und gelb ist die Gänsestopfleber, für deren Produktion die Vögel extrem gequält werden, © jackmac34 / Pixabay
Riesengroß, fettig und gelb ist die Gänsestopfleber, für deren Produktion die Vögel extrem gequält werden, © jackmac34 / Pixabay

In einigen Ländern ist es außerdem nach wie vor erlaubt, die bei Gourmets begehrte Stopfleber (Foie gras) zu produzieren. Aus Tierschutzgründen darf sie in Deutschland nicht produziert werden. Das klingt zunächst einmal gut, aber leider ist der Verkauf von Stopfleber aus anderen Ländern hierzulande legal. Im Klartext heißt das: Wer will, kann dieses unter grausamen Bedingungen erzeugte Lebensmittel weiter konsumieren, ohne dass sich hierzulande „die Hände schmutzig“ gemacht werden. Doch was ist so schlimm an Stopfleber?

Die Produktion dieser zweifelhaften Delikatesse stellt für die Gänse ein Martyrium dar, das als verabscheuenswürdige Folter bezeichnet würde, träfe die Behandlung einen Menschen. Mehrmals täglich führt man den Tieren ein etwa 50 cm langes Metallrohr durch den Hals ein, das bis in den Verdauungstrakt reicht. Durch dieses Rohr verabreicht man ihnen während der Zwangsfütterungen täglich bis zu 2,5 Kilogramm gequollenen, stark gesalzenen Maisbrei. Auf den Menschen umgerechnet bedeutet dies in etwa, dass wir täglich rund ein Fünftel unseres Körpergewichts essen müssten. Ein Mann mit einem Gewicht von 75 kg hätte demnach 15 kg Nahrung an nur einem Tag zu verdauen, die ihm per Schlauch in den Magen gepumpt wird – keine besonders angenehme Vorstellung!

Beim Einführen des Metallrohrs erleiden die Gänse häufig schwere Verletzungen der Speiseröhre. Die Hälse mancher Gänse sind dermaßen stark verletzt, dass sich Löcher bilden, durch die das Wasser, welches die Tiere trinken, nach dem Schlucken herausläuft. Wird die Menge des Futterbreis zu hoch dosiert, platzt der Verdauungstrakt, während die Tiere bei vollem Bewusstsein sind. Unter starken Schmerzen verenden die Vögel, geholfen wird ihnen nicht, denn das würde Geld kosten.

Durch das für die Tiere ungesunde, viel zu opulent portionierte Futter verändern sich die Leber innerhalb kürzester Zeit drastisch, das Organ setzt extrem viel Fett an und vergrößern sich auf unnatürliche Weise. Eine Leber einer Stopfgans kann mehr als 1 kg wiegen und ist damit etwa zehnmal so schwer wie die Leber einer gesunden, natürlich ernährten Gans. Eine stark vergrößerte Leber benötigen viel Platz in der Bauchhöhle. Auf einen durchschnittlichen Menschen übertragen würde eine zehnfach vergrößerte Leber etwa 20 kg wiegen und unter anderem aufgrund des großen Verdrängungsvolumens zu heftigen Schmerzen führen. Bei den Gänsen, die sensible Lebewesen mit einem Schmerzempfinden sind, dürfte es sich genauso verhalten. Höchstwahrscheinlich leiden die Tiere ständig unter heftigen Bauchschmerzen.

Auf der folgenden Webseite gibt es Bilder und Videos, die das grausame Vorgehen bei der Produktion von Stopfleber zeigen: Stopfleber.info.


Brutale Gänsedaunengewinnung

Daunen sind ein begehrtes Füllmaterial für Kissen, Oberbetten und Jacken, © Counselling / Pixabay
Daunen sind ein begehrtes Füllmaterial für Kissen, Oberbetten und Jacken, © Counselling / Pixabay

Damit ist die Leidensgeschichte vieler Gänse jedoch noch nicht zu Ende erzählt. Eigentlich ist das sogenannte Lebendrupfen verboten, zumindest in der EU. Doch weil in Europa Gänsedaunen sehr beliebt sind und die Verbraucher gern möglichst preisgünstig einkaufen möchten, werden die weichen Federn aus anderen Ländern importiert. Dort gibt es häufig keine vergleichbaren Tierschutzrichtlinien wie in Europa, wo Gänse nur dann maschinell gerupft werden dürfen, wenn sie bereits tot sind.

Im Ausland sie die Realität für die Vögel oft so aus: Ohne jegliche Betäubung reißt man den Tieren die weichen Federn bei lebendigem Leibe aus, um daraus Daunen als Füllmaterial beispielsweise für Kissen und Jacken zu gewinnen. Da das Rupfen im Akkord und häufig maschinell erfolgt, gehen die Menschen entsprechend unvorsichtig mit den Tieren um. Nicht selten werden den Vögeln zusammen mit den Federn ganze Hautstücke ausgerissen.

Besonders weiche Daunen wachsen den übrigens Vögeln, wenn sie mehrmals in ihrem Leben gerupft werden. Manche Gänse müssen diese extrem schmerzhafte Prozedur zu ihren Lebzeiten bis zu viermal über sich ergehen lassen – ohne jede Betäubung und ohne Schmerzmittel für die Zeit danach.


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