Vögel füttern – aber richtig! Anlocken, schützen, sicher bestimmen
Rezension von Gaby Schulemann-Maier. Diese Buchbesprechung bezieht sich auf die Erstausgabe dieses Werks aus dem Jahr 2006. Inzwischen ist eine überarbeitete Ausgabe mit dem Titel „Vögel füttern, aber richtig: Das ganze Jahr füttern, schützen und sicher bestimmen“ erhältlich, siehe ganz unten.
Bereits Wochen bevor dieses Buch überhaupt in die Läden kam, entbrannte unter Befürwortern und Gegnern der Vogelfütterung eine heftige Diskussion. Der Grund dafür ist, dass in dem Buch Ratschläge gegeben werden, die nahezu alle bisher gebräuchlichen vorsichtigen Fütterungshinweise Lügen strafen. Dass das Buch obendrein von zwei namhaften Fachleuten geschrieben wurde, heizte die Diskussionen zusätzlich an. Da ich selbst Naturwissenschaftlerin bin und mich zudem seit vielen Jahren aktiv für den Schutz von Wildvögeln einsetze, habe ich versucht, diese Diskussionen zu ignorieren und das Buch unvoreingenommen zu lesen. Auf diesen Eindrücken beruht diese Rezension.
Das Buch hat ein handliches Format, ist broschiert, hat 79 Seiten und besticht beim ersten Durchblättern durch erlesen schöne Fotos heimischer Wildvögel. Verfasst wurde der Ratgeber von Prof. Dr. Peter Berthold und seiner Frau Gabriele Mohr. Berthold war bis 2004 Direktor der Vogelwarte Radolfzell, Max-Planck-Institut für Ornithologie; Mohr war viele Jahre als Technische Assistentin in der Vogelwarte Radolfzell tätig. Man kann also davon ausgehen, dass die Autoren sich bestens mit der Materie auskennen und zudem beide einen wissenschaftlichen Hintergrund aufweisen.
In den ersten Kapiteln erläutert das Autorenduo, wie sich die aktuelle Situation der einheimischen Singvögel darstellt und führt hierfür Beispiele wie den Haussperling oder die Mönchsgrasmücke auf. Basierend auf den dargelegten Fakten bauen Berthold und Mohr in kurzen, verständlich geschriebenen Kapiteln eine in sich schlüssige Argumentationskette auf, die belegt, dass eine Fütterung der Vögel sinnvoll und keineswegs schädlich ist, sofern artgerechtes Futter gereicht wird. Sie berufen sich dabei auf eine ganze Reihe wissenschaftlicher Studien, die vor allem aus dem europäischen Ausland stammen.
Revolutionär ist ihr Rat, die einheimischen Wildvögel nicht nur im Winter, sondern ganzjährig zu füttern. Den Gegnern der Fütterung stehen angesichts dieser Aussage die Haare zu Berge, weil sie doch nie müde wurden zu erklären, dadurch würden beispielsweise die Jungvögel zu Schaden kommen. Die Elternvögel brächten ihnen aus Bequemlichkeit nur noch das vom Menschen gereichte Futter, das sie töten würde. Mohr und Berthold halten dagegen und belegen anhand von Studien ihre Aussage, dass dem nicht so sei, denn die Elternvögel würden ihren Nachwuchs trotzdem mit natürlicher Nahrung versorgen, für die eigene Versorgung jedoch auf das vom Menschen gereichte Futter zurückgreifen. Dieser und weitere Aspekte rund um die Vogelfütterung, die bisher zu kontroversen Diskussionen geführt haben, werden vom Autorenpaar erläutert und kommentiert.
Nun wird sicher jeder seine eigene Meinung dazu haben, ob eine ganzjährige Vogelfütterung notwendig ist oder nicht, zumal sicherlich nicht in allen Teilen Deutschlands identische Bedingungen in der Natur und somit für die Vögel gelten. Fakt ist jedenfalls, dass Berthold und Mohr in dem Buch sehr gute Tipps geben, damit Vogelfreunde die Tiere am richtigen Platz mit den passenden Futterspendern anlocken und mit wirklich artgerechtem Futter versorgen können. Die Futterplatzbesucher werden im Einzelnen kurz vorgestellt und ihre jeweiligen Nahrungsvorlieben werden dargestellt. Natürlich fehlen in dem Buch auch Hinweise auf die Futtermittel nicht, die für meinen Geschmack durchaus ein wenig ausführlicher hätten ausfallen dürfen. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis, das Vorwort von Heinz Sielmann und Quellenangaben für den Bezug von Futtermitteln und -spendern runden den Inhalt ab.
Negativ aufgefallen ist mir die Warnung der Autoren, man solle tunlichst das Internet meiden, wenn man sich über die Vogelfütterung informieren möchte, weil dort irreführende und falsche Informationen zu finden seien. Einerseits ist diese Aussage für meine Begriffe zu pauschal und andererseits ist sie für Menschen wie das Wildvogelhilfe-Team ein Schlag ins Gesicht. Engagierte Tierschützer, die auf ihren Internetseiten versuchen, so viele Menschen wie möglich mit Informationen aus erster Hand zu versorgen, gibt es zuhauf. Unsere Rubrik über die Winterfütterung deckt sich zu weiten Teilen mit den Aussagen des Autorenteams, deshalb empfinde ich diese Warnung als unprofessionell und völlig überzogen. Aber vielleicht kennen Berthold und Mohr unser Projekt „Wildvogelhilfe.org“ gar nicht …?
Wie dem auch sei, von diesem Negativaspekt einmal abgesehen, stellt das Buch eine wertvolle Hilfe für all jene dar, die in die Thematik neu einsteigen möchten. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sie sich zu einseitig informieren und zu enthusiastisch ans Werk gehen, weshalb ich unbedingt die zusätzliche Lektüre von Fachzeitschriften, Literatur und diverser Internetquellen empfehlen würde.
Wie bereits oben auf der Seite erwähnt, handelt es sich um eine Besprechung der ersten Ausgabe des Buches. Inzwischen ist die dritte Ausgabe des Werks verfügbar, sie enthält einige Änderungen im Vergleich zur ersten Version:
Vögel füttern, aber richtig
Das ganze Jahr füttern, schützen und sicher bestimmen
Kosmos, 3. Auflage, 7. August 2012
ISBN-13: 978-3440131787
Preis: 9,99 €*
* Preisangabe ohne Gewähr!