Erfahrungsbericht über Vogelfütterung im Garten
Gastbeitrag von Patrizia Syz, März 2007
Eigentlich habe ich keine Ahnung von Vögeln – bis vor Kurzem habe ich mich nie speziell um sie gekümmert und sie im Winter auch nie gefüttert. Letzten Sommer sind wir jedoch in eine hübsche Wohnung mit Gartensitzplatz in ein Quartier etwas außerhalb einer Stadt gezogen. Und eines Tages sah ich ein hübsches Vogelhäuschen aus Holz in einem Laden, das ich mir – mehr aus einer Laune heraus – kaufte. Aber da ich es schon hatte, wollte ich es auch richtig machen. Auf Wildvogelhilfe-Website, auf die ich zufällig gestossen war, fand ich jede Menge Tipps und Hinweise wie ich das „Vogelrestaurant“ (jetzt hatte das Projekt sogar einen Namen!) erfolgreich führen konnte.
Da ich sofort beginnen wollte und die Vögel das Futter dringend brauchten (es war mitten im Winter), stellte ich das Häuschen ohne weitere Vorkehrungen auf einen Ast eines Strauchstrunkes, den ich im Rahmen erster Gartenarbeiten abgehackt hatte. Ich gebe zu, dass das nicht ganz lehrbuchmäßig ist, denn schließlich kann das Häuschen herunterfallen und ist erst noch gut zugänglich für Katzen. Da ich jedoch oft genug zu Hause war, um es im Auge zu behalten, beschloss ich, es einfach zu probierenund bis jetzt hat es gut funktioniert. Im Supermarkt kaufte ich mir zwei verschiedene Futtermischungen – ich dachte, so könnte ich ohne Mehraufwand verschiedene Vögel glücklich machen – füllte sie lagenweise in das Häuschen und wartete ab.
Als erstes kamen natürlich die Spatzen. Das war nun nicht besonders aufregend, aber ich habe gelesen, dass wir doch eigentlich froh sein sollten, dass es immer noch Vögel gibt, die zahlreich bei uns vorkommen. Das fand ich einleuchtend, also freute ich mich und beobachtete weiter. Als nächstes kamen die Amseln – immer zuerst der eine Partnerund dann innerhalb von 24 Stunden der zweite – und nach den Amseln kamen die Kohlmeisen, und die nächsten Arten musste ich auf dem Internet nachschlagen, weil ich keine Ahnung hatte, welche Arten da bei mir auftauchten. Ich muss zugeben, dass ich vorher nicht so genau wusste, wie eigentlich ein Rotkehlchen aussieht …
Rasch wuchs meine Vogelgemeinschaft an. Ich nehme an, dass der nahe gelegene Wald, das kleine Sumpfgebiet und die Landwirtschaftsflächen neben unserem Wohnquartier reichlich Futter und Nistplätze für Vögel bieten. Meist kommen sie in Wellen über den Tag verteilt, aber manchmal sitzt auch nur eine einsame Kohlmeise auf dem Pfaffenhütchen und pfeift ihr Frühlingslied. Die Spatzen hocken den ganzen Tag im Lorbeerbusch und tschilpen um die Wette, wenn sie sich nicht gerade über alles hermachen, was ich auslege. Die Amselmännchen hüpfen jetzt im Vorfrühling drohend in der Wiese herum, die Stare verjagen sich gegenseitig am Häuschen und die nüsseverrückten Grünfinken und Distelfinkensind gerade so prächtig anzuschauen wie irgendein Ziervogel, den man sich mit entsprechendem Aufwand in der Voliere halten würde.
Meine Lieblinge sind die Blaumeisen, die so zierlich und süß aussehen, dass ich sie am liebsten knuddeln würde. Und auf die drei Erlenzeisige, die schon mehrmals da waren, bin ich besonders stolz. Diese Vogelart ist bei uns nicht gerade bedroht, aber doch eher selten in unserer Gegend (für Schweizer: Solche und andere Infos gibt’s bei der Vogelwarte Sempach mit ihrer Internetseite Vogelwarte.ch).
Gelegentlich schauen auch eine Sumpfmeise und zwei Schwanzmeisen vorbei, aber die beiden Ringeltauben, die einmal hier aufgetaucht sind, scheinen nicht gefunden zu haben, was sie suchten. Hingegen war der frisch aus dem Winterschlaf erwachte Igel offensichtlich ganz zufrieden mit der gedeckten Tafel.
Anfangs befürchtete ich, dass innert Kürze alles voller Vogeldreck sein könnte und dass ich dauernd putzen müsste, aber das traf nicht ein. Die meisten Vögel bleiben nicht so lange. Gerade die Meisen schnappen sich gerne einen Happen und setzen sich dann auf einen Busch oder die Fichte neben unserem Garten, um in Ruhe daran zu picken. Hingegen haben sich mit der Zeit die leeren Sonnenblumenkern-Schalen unter dem Häuschen angehäuft. Das war aber kein größeres Problem, ich konnte sie ja einfach in die Erde einarbeiten.
Unterdessen gibt es im Supermarkt ohnehin kein Vogelfutter mehr, aber natürlich habe ich auf dieser Site Abhilfe gefunden. Ich habe mit wenig Aufwand ein eigenes „Müsli“ gekocht, indem ich Haferflocken mit Sonnenblumenöl erwärmt und dann mit geschälten Sonnenblumenkernen und ungeschwefelte Rosinen vermischt habe (auch für Schweizer: günstige Bio-Knospen-Produkte gibt’s im Coop). Das ist schnell gemacht, hat den Vorteil, dass ich große Mengen einkaufen und dann vorzu zubereiten kann, und diese Mischung hält erst noch länger hin als die gekaufte, weil es keine Abfälle gibt. Ich streue auch immer etwas davon auf den Boden, viele Arten nehmen das Futter gerne dort auf.
Außerdem habe ich einen Meisenknödel und einen Nussstängel aufgehängt (noch aus dem Supermarkt). Vor allem der Nussstängel ist unglaublich beliebt; die kleinere Arten picken das Fett heraus, und die größeren knacken mit Begeisterung die Nüsse und versuchen die Häppchen durch das Netz herauszuziehen. Auch etwas Insektenfutter streue ich aus. Das schienen sie am Anfang nicht so zu mögen, aber jetzt verschwinden doch jeden Tag ansehnliche Mengen davon. Allgemein habe ich die Erfahrung gemacht, dass es am besten ist, ein neues Futter erst einmal in kleinen Mengen auszustreuen und zu schauen, ob die Vögel es nach zwei oder drei Tagen nehmen.
Ich bin selber erstaunt, wie sich mein Vogelabenteuer entwickelt hat. Dass ich mit so wenig Aufwand so viele Vögel anziehen konnte, verblüfft mich enorm. Am meisten genieße ich es, am Esstisch zu sitzen, am Laptop zu arbeiten, zu lesen oder zu essen und den Vögeln zuzusehen. Es ist wie ein Logenplatz auf einer Safari, nur dass man dafür nicht nach Afrika fahren muss und es fast nichts kostet. Etwa einmal pro Woche taucht irgend ein Vogel auf, den ich noch nicht kenne, dann finde ich über’s Internet heraus, was es für einer ist. Von einigen Vogelarten, die nun regelmäßig bei mir ein- und ausgehen, habe ich noch nie zuvor etwas gehört, geschweige denn etwas über sie gewusst – so kann ich allerlei dazulernen.
Bisher war ich eher der Überzeugung, dass wilde Tiere wilde Tiere sein und nicht gefüttert werden sollten. Aber auch dazu hat ja diese Website einiges zu sagen, was mir zuvor nicht bewusst war. So lernte ich, dass Wildvögel enorm von der Zufütterung – auch über den Winter hinaus – profitieren, besonders wenn schon erschwerende Umstände für sie herrschen. Und dass sie nur an die Häuschen gehen, wenn sie in der Natur nichts mehr finden können, d. h. wenn echter Bedarf besteht. Unterdessen genieße ich es sehr, ein Teil dieses „wilden Lebens“ zu sein und den Vögeln eine Unterstützung zu bieten. Ich finde, es lohnt sich wirklich – für beide Seiten.