Kuriose und spannende Fakten

Beitrag von Gaby Schulemann-Maier, Team Wildvogelhilfe

Viele Dinge rund um Vögel erscheinen uns zu alltäglich, um sie zu hinterfragen. Doch beginnt man einmal damit, die Welt der Vögel völlig unvoreingenommen zu betrachten, fallen plötzlich einige Kuriositäten oder spannende Details auf, für die man aus dem Stand oft keine Erklärung findet. Oder wussten Sie, weshalb beispielsweise alle Pinguinarten weiße Bäuche und schwarze Rücken haben? Dieser und weiteren Fragen geht dieses Kapitel auf den Grund.


Warum bekommen Pinguine keine kalten Füße?

Pinguine haben einen natürlichen Wärmetauscher aus Blutgefäßen in den Beinen, der effizient verhindert, dass die Vögel über die Füße zu viel Körperwärme verlieren oder am Boden festfrieren, © derdento / Pixabay
Pinguine haben einen natürlichen Wärmetauscher aus Blutgefäßen in den Beinen, der effizient verhindert, dass die Vögel über die Füße zu viel Körperwärme verlieren oder am Boden festfrieren, © derdento / Pixabay

Auf den ersten Blick mag es wenig erstaunlich erscheinen, dass Pinguine mit ihren fleischigen, unbefiederten Füßen über das Eis ihres Lebensraums auf der Südhalbkugel marschieren. Überlegt man es sich jedoch einmal genauer, stellt man schnell fest, dass ein Mensch dort nicht barfuß umher laufen könnte, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen. Auch drängt sich die Frage auf, weshalb die Vögel nicht binnen kürzester Zeit das Eis unter ihren Füßen schmelzen oder gar auf der Stelle festfrieren, falls es einmal besonders kalt und windig ist. Normalerweise sollte man meinen, dass die Körperwärme der Pinguinfüße ausreichen müsste, um das Eis vorübergehend anzutauen. Und sobald die Haut durch das Tauen des Eises Wärme abgegeben hat, müssten die Tiere vor allem während starker Stürme während des südpolaren Winters mit der Unterseite ihrer Füße am Boden festfrieren. Die Pinguine wären gefangen und käme nicht mehr vom Fleck – aber zum Glück geschieht dies höchst selten.

Um Pinguine und andere Wasservögel davor zu bewahren, kalte Füße zu bekommen oder gar am Eis festzufrieren, hat Evolution für eine genialen Anpassung der Tiere an kalte Umweltbedingungen gesorgt. Diese Besonderheit in der Anatomie betrachten wir bei den Pinguinen nun einmal näher. Wie alle Vögel sind auch Pinguine Warmblüter. Ihr Körper ist durch eine je nach Pinguinart bis zu zwei Zentimeter dicke Fettschicht und ein sehr dichtes, struppiges Federkleid vor Kälte geschützt. Ihre Füße bilden jedoch eine Ausnahme. Sie sind der Kälte nahezu schutzlos ausgeliefert, denn sie tragen keine Federn und keine nennenswerte Fettschicht.

Wären sie so warm wie die Füße anderer Vogelarten, würde dies den Pinguinen in zweierlei Hinsicht große Probleme bereiten. Über die Haut würden die Vögel wertvolle Körperwärme an die Umgebung abgeben und so am gesamten Körper schnell auskühlen, bis sie schließlich an Unterkühlung sterben würden. Der andere Aspekt ist der bereits weiter oben erwähnte, dass circa 30 bis 40°C warme Füße das Eis unter sich schmelzen würden.

Die Füße eines Eselspinguins (Pygoscelis papua), © Bruce McAdam via Wikipedia
Die Füße eines Eselspinguins (Pygoscelis papua), © Bruce McAdam via Wikipedia

Zum Glück für die Pinguine und andere Wasservögel hat die Natur sie mit einem ausgeklügelten „Wärmetauscher“ ausgestattet. Im Inneren des Körpers herrschen beim Pinguin Temperaturen von etwa 40°C, wie es bei den meisten Vögeln der Fall ist. An den kurzen Beinen fällt die Temperatur jedoch rapide ab, je weiter man sich den Füßen nähert. Die Füße selbst haben eine Temperatur, die nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt liegt. Aus diesem Grund laufen Pinguine nicht Gefahr, bei ihrem Marsch über das Eis festzufrieren.

Doch warum sind die Füße der Pinguine so kalt, ohne dass der restliche Körper dadurch auskühlt? Das aus dem Körper in die Füße strömende, warme Blut gelangt durch Adern nach unten, die von Venen umgeben sind, die das kalte Blut nach oben ins Körperinnere befördern. Das kühle Blut in den Venen wird durch das warme, von oben nachströmende Blut angewärmt, während dieses umso mehr abgekühlt wird, je weiter es sich zu den Füßen bewegt. Mit dem sogenannten „Gegenstromprinzip“ reguliert der Körper der Pinguine die Temperatur des Blutes und somit auch die der Füße optimal.

Ein Stockenten-Paar (Anas platyrhynchos) steht auf Eis, © Gaby Schulemann-Maier
Ein Stockenten-Paar (Anas platyrhynchos) steht auf Eis, © Gaby Schulemann-Maier

Bei den in tropischen Gebieten lebenden Galapagospinguinen (Spheniscus mendiculus) oder den Küstenbewohnern Südamerikas wie dem Humboldtpinguin (Spheniscus humboldti) existiert ein so stark ausgeprägtes Temperaturgefälle zu den Füßen hin jedoch nicht, weil diese Vögel in einer erheblich wärmeren Umwelt leben.

Doch sogar in Mitteleuropa gibt es Vögel, die einen solchen eingebauten „Wärmetauscher“ in den Beinen haben. Zu ihnen gehören beispielsweise die allgegenwärtigen Stockenten (Anas platyrhynchos) oder Graugänse (Anser anser).


Warum bekommen Spechte keine Kopfschmerzen?

Der Helmspecht (Dryocopus pileatus) lebt in Teilen Nordamerikas, © Colleen P via Flickr
Der Helmspecht (Dryocopus pileatus) lebt in Teilen Nordamerikas, © Colleen P via Flickr

Ein typisches Verhalten der Spechte ist es, gegen Baumstämme und Äste zu hämmern. Die Vögel setzen dabei den Schnabel als Werkzeuge ein, um Bruthöhlen zu zimmern oder akustisch ihr Revier zu markieren. Darüber hhinaus dient der Schnabel dazu, die Borke der Bäume zu beseitigen, um an darunter lebende Insekten oder deren Larven zu gelangen, die einen großen Teil der Nahrung vieler Spechte ausmachen.

Stundenlang trommeln Spechte allem Anschein nach mit immenser Kraft gegen das Holz, ohne dass sie davon Kopfschmerzen zu bekommen scheinen. Woran liegt es, dass diese Vögel offenkundig gegen einen Brummschädel immun sind?

Die Anatomie der Spechtschädel unterscheidet sich deutlich von der anderer Vogelarten: So bestehen die ausgesprochen geraden Schädel der Spechte auf einer gedachten Achse vom Schnabel bis zum Hinterkopf gänzlich aus Knochen. Im Bereich des Hinterkopfes ist die Knochensubstanz besonders stark und schwammartig. Das Spechtgehirn liegt oberhalb dieser Achse. Nur die Knochen werden von den Druckwellen der Stöße durchdrungen, das darüber liegende Gehirn bleibt davon völlig unbehelligt.

Darüber hinaus verfügen Spechtschädel über ein komplexes Stoßdämpfersystem: Innerhalb des Schädels liegen Muskeln, die sich entgegen der Schlagrichtung des Schnabels vorspannen lassen. Dadurch fangen sie die Stoßwellen ideal ab und dienen somit als natürlich Federung.

Klettern, picken und hämmern - dieser Fertigkeiten müssen Spechte wie dieser Buntspecht für den Nahrungserwerb beherrschen, © Gaby Schulemann-Maier
Klettern, picken und hämmern – dieser Fertigkeiten müssen Spechte wie dieser Buntspecht für den Nahrungserwerb beherrschen, © Gaby Schulemann-Maier

Der Schnabel weist bei vielen Spechtarten zudem einen Knick auf, der jedoch nur aus nächster Nähe und bei genauer Betrachtung sichtbar ist. Er wirkt sich vorteilhaft auf die Kraftübertragung und -wirkung beim Hämmern aus und verhindert wirkungsvoll, dass der Schnabel durch die Stoßkräfte beim Aufprall auf dem harten Holz überbiege kann. Somit hat der Spechtschnabel gewissermaßen einen eingebauten Schutz, der ihn meist sehr effektiv vor dem Zerbrechen infolge des Hämmerns bewahren kann.

Schädel und Schnabel bilden bei den Spechten darüber hinaus eine Einheit, da sie miteinander verwachsen sind. Rein physikalisch betrachtet, ist der Kraftfluss zwischen Hammer und Meißel daher immer optimal, sodass die Vögel vergleichsweise wenig Energie aufwenden müssen, um kraftvoll zu hämmern. Um die Kraft zum Hämmern überhaupt aufwenden zu können, bedarf es einer starken Muskulatur im Bereich der oberen Wirbelsäule, und die findet sich bei allen Spechtarten.


Warum fallen schlafende Vögel nicht vom Ast?

Federknäuel im Geäst - dieser Vogel schläft tief und fest und wird durch seine besondere Fußanatomie und den Gleichgewichtssinn vor Stürzen bewahrt, © Bernard DUPONT via Flickr
Federknäuel im Geäst – dieser Vogel schläft tief und fest und wird durch seine besondere Fußanatomie und den Gleichgewichtssinn vor Stürzen bewahrt, © Bernard DUPONT via Flickr

Wenn ein Vogel auf einem Ast sitzt, wird dieser von den Zehen umklammert. Weil sich im Schlaf viele Muskeln entspannen, könnte man meinen, dass sich die Umklammerung dann auch lösen könnte – aber dies gescheht nicht, sogar im Tiefschlaf umgreifen Vögel ihre Sitzäste weiterhin. Aber das ist nicht alles, auch ihr Gleichgewichtssinn funktioniert im Schlaf bestens, weshalb die Vögel meist auch dann nicht abstürzen, wenn die Äste ein wenig im Wind schwanken. Wie die Tiere dies bewerkstelligen, konnte vor einiger Zeit der Tierphysiologe Prof. Dr. Reinhold Necker von der Ruhr-Universität Bochum im Rahmen jahrelanger Forschung klären.

Wie wir Menschen besitzen auch Vögel ein Gleichgewichtsorgan im Innenohr. Mit Hilfe dieses Organs orientieren sie sich während des Fluges, was zu einer der komplexesten Sinnesleistungen im Tierreich gehört. Dennoch war es lange Zeit rätselhaft, wie es den Vögeln gelingt, ihren Körper nachts aufrecht zu halten, denn dafür reicht das Gleichgewichtsorgan im Innenohr allein nicht aus.

Anders als beim Menschen ist der Körper eines Vogels grundsätzlich waagerecht ausgerichtet, und wie bei uns ist der Kopf eines Vogels recht schwer. Um ein Vorüberkippen, also den Verlust des Gleichgewichts, mittels eines Gegengewichts zu verhindern, ist der Schwanz nicht schwer genug. Aufgrund dieser Tatsache vermuteten viele Experten schon lange, dass Vögel ein zusätzliches Gleichgewichtsorgan an einer anderen Stelle im Körper besitzen.

Durch ein komplexes Zusammenspiel des überragenden Gleichgewichtssinns und der besonderen Anatomie der Füße können sich Vögel wie diese Ringeltaube auch auf schwankenden Ästen sicher halten, und das auch, während sie schlafen oder ihr Gefieder putzen. © Cairomoon / Pixabay
Durch ein komplexes Zusammenspiel des überragenden Gleichgewichtssinns und der besonderen Anatomie der Füße können sich Vögel wie diese Ringeltaube auch auf schwankenden Ästen sicher halten, und das auch, während sie schlafen oder ihr Gefieder putzen. © Cairomoon / Pixabay

Vier Jahre lang untersuchte Prof. Necker das Gleichgewichtsverhalten der Vögel und spürte dabei im Bereich des Beckens der Tiere ein zweites Gleichgewichtsorgan auf. Dort liegen im sogenannten Lumbosacralbereich in den seitlichen Auslappungen des Rückenmarks spezielle Nervenzellen und vergleichsweise große Flüssigkeitsräume, die das Rückenmark umgeben. Über den Auslappungen befinden sich die Öffnungen von Bogengängen, mit deren Hilfe Vögel praktisch immer das Gleichgewicht halten können. Auch im Innenohr sind solche Bogengänge zu finden.

Die Funktionsweise des Becken-Gleichgewichtsorgans ist mit dem des Innenohrs vergleichbar. Wie im Bogengangsystem des Innenohrs üben auch im Bereich des Beckens Flüssigkeitsbewegungen einen mechanischen Reiz auf die umgebenden Nervenzellen aus. Jene Nervenzellen haben ihrerseits einen direkten Einfluss auf das motorische System der Beine, sprich auf die Steuerung der Muskulatur. Ferner werden von ihnen Reize ans Kleinhirn weitergeleitet, falls eine Bewegungskorrektur in anderen Körperregionen erforderlich sein sollte, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten.

Während ein Vogel wie dieses Rotkehlchen (<em>Erithacus rubecula</em>) einen Ast umgreift, wendet er keine Kraft auf; erst beim Lösen des Griffs werden die Muskeln wieder aktiv, © Darren via Flickr
Während ein Vogel wie dieses Rotkehlchen (Erithacus rubecula) einen Ast umgreift, wendet er keine Kraft auf; erst beim Lösen des Griffs werden die Muskeln wieder aktiv, © Darren via Flickr

Den Vögeln würden ihre beiden Gleichgewichtsorgane jedoch wenig nützen, wenn nicht ein ausgeklügelter Mechanismus dazu führen würde, dass ihre Zehen auch im Schlaf ständig den Ast oder die Stange fest umschließen. Relativ kompliziert ist der Aufbau des Vogelfußes, daher soll an dieser Stelle nur grob vereinfacht das Funktionsprinzip des Greifens erläutert werden. Unter jedem Fuß liegt bei Vögeln, die sich normalerweise im Geäst aufhalten, jeweils ein Reflexpunkt. Wird dieser Punkt durch Druck gereizt, setzt automatisch der Greifreflex ein. Steht ein Vogel also auf einem Ast oder auf einer Stange, dann übt sein Körpergewicht einen ausreichend großen Druck auf jenen empfindlichen Punkt aus, um den Greifreflex zu aktivieren.

Damit das Greifen nicht ständig Kraft erfordert, ist ein Vogelfuß so aufgebaut, dass die Muskulatur bei aktiviertem Greifreflex entspannt ist. Erst wenn der Vogel den Griff lockert, also die Zehen anhebt, spannt er seine Muskulatur an. Das nächtliche Umgreifen eines Astes oder einer Stange bedeutet für einen Vogel demnach keinerlei körperliche Anstrengung.


Warum haben Pinguine weiße Bäuche?

Tauchender Pinguin, © Yortw via Flickr
Tauchender Pinguin, © Yortw via Flickr

Sie muten mit ihrem schwarzweißen Gefieder überaus niedlich an und gelten als die „Frackträger“ vom Südpol. Jedes Kind weiß, wie Pinguine aussehen: lange Flügel, kurze Beinchen, ein dunkler Rücken und ein weißer Bauch – ist doch logisch! Aber warum sehen sie so aus, wie sie aussehen? Gibt es einen triftigen Grund dafür? Fakt ist: Nichts in der Natur geschieht zufällig und der Grund dafür, weshalb alle Pinguine und noch einige weitere Vogelarten diese Farbverteilung aufweisen, ist leicht zu verstehen, wenn man ihre Jagdmethoden genauer betrachtet.

Pinguine gehören zu den Nahrungsspezialisten unter den Vögeln. Sie haben sich auf das Erbeuten von Fischen und Krill spezialisiert. Ihre Nahrung finden sie teilweise in beachtlicher Tiefe der eisigen Gewässer rund um die Antarktis. Das heißt, die Pinguine tauchen ihrer Beute hinterher, wobei sie beeindruckend schnell schwimmen und sehr lang die Luft anhalten können.

Königspinguine (Aptenodytes patagonicus), © Richard Giddins via Flickr
Königspinguine (Aptenodytes patagonicus), © Richard Giddins via Flickr

Fische und Krill leben gern in Schwärmen, weil auf diese Weise jedes Individuum möglichst viel Schutz vor Fressfeinden aller Art genießt. Sehen die Fische beziehungsweise die Krill-Krebse eine sich schnell bewegende Gestalt auf sich zurasen, stieben die Schwärme auseinander, um sich ganz in der Nähe wieder zu einem Schwarm zusammenzufinden. Der Jäger hat bei dem dabei entstehenden Chaos oft Schwierigkeiten, sich auf ein bestimmtes Individuum innerhalb des Verbands zu konzentrieren, weil um ihn herum die potenziellen Beutetiere durcheinander schwimmen. Dieses Verwirrspielfunktioniert meist sehr gut, weshalb es den Pinguinen gelegen kommt, wenn sie ihre Beute völlig überraschend angreifen können, ohne dass die Schwärme in Panik verfallen. Im Vorteil sind also Jäger, die von den Opfern erst spät wahrgenommen werden, und zwar möglichst dann, wenn es für sie bereits zu spät für eine Flucht ist.

Fische und Krill-Krebse, die in tieferen Schichten der Polarmeere leben, sehen unter sich undurchdringliche Dunkelheit und über sich die helle Wasseroberfläche. Nähert sich ihnen ein schnell schwimmender Pinguin von oben, ist er für sie aufgrund seines weißen Bauchgefieders vor dem hellen Hintergrund oft nicht sofort auszumachen. Schwimmt der Pinguin hingegen von unten auf seine Beute zu, verschwinden seine Umrisse aufgrund des dunklen Rückens und Kopfes sowie der ebenfalls dunkel gefärbten Flügeloberseiten völlig vor der Finsternis des tiefen Wassers. Der „Frack“ der Pinguine stellt somit eine perfekte Anpassung der Körperfärbung an die Jagdgewohnheiten der Vögel dar und sorgt dafür, dass die Vögel aus jeder der beiden genannten Perspektiven schwerer zu entdecken sind.

Eine ähnliche Farbverteilung haben übrigens auch einige Vogelarten, die in den arktischen Gewässern, also rund um den Nordpol beheimatet sind und Fische unter Wasser schwimmend erbeuten. Zu diesen Vögeln gehören beispielsweise die Papageitaucher (Fratercula arctica) und die Trottellumme (Uria aalge).


Warum tränen Vogelaugen beim Fliegen nicht und trocknen nicht aus?

Nur ein kleiner Teil der Vogelaugen liegt außerhalb des Schädels, weshalb die Gefahr einer Austrocknung niedriger ist als bei den Augen der Menschen; das Foto zeigt einen Haubenadler (Nisaetus cirrhatus), © Gaby Schulemann-Maier
Nur ein kleiner Teil der Vogelaugen liegt außerhalb des Schädels, weshalb die Gefahr einer Austrocknung niedriger ist als bei den Augen der Menschen; das Foto zeigt einen Haubenadler (Nisaetus cirrhatus), © Gaby Schulemann-Maier

Bewegen wir Menschen uns beispielsweise auf einem Fahrrad oder in einem Auto mit offenem Verdeck schnell fort, beginnen unsere Augen oft rasch zu tränen. Dies geschieht häufig sogar dann, wenn wir stillstehen und von starkem Wind getroffen werden. Die erhöhte Produktion von Tränenflüssigkeit ist hierbei eine natürliche Reaktion des Körpers darauf, dass der (Fahrt-)Wind die Augenoberfläche austrocknet und außerde winzige Fremdkörper ins Auge gelangen. Indem mehr Tränenflüssigkeit freigesetzt wird, werden die Augen feucht gehalten und die kleinen Fremdkörper wie zum Beispiel Staub werden weggeschwemmt.

Während sie fliegen, erreichen Vögel teils enorme Geschwindigkeiten. Dies gilt vor allem für einige Greifvogelarten, die im Sturzflug jagen. Ihre Augen sind dabei starken Luftströmungen ausgesetzt, ohne jedoch auszutrocknen oder zu tränen. Wie kann das sein?

Einer der Gründe ist ein erheblicher Unterschied in der Augenanatomie bei Vögeln und Menschen: Die Vögel haben relativ zu den Abmessungen ihres Schädels sehr viel größere Augäpfel als wir Menschen. Der nach außen hin offene Bereich ist bei den Gefiederten jedoch erheblich kleiner als bei Menschen. Das heißt, prozentual betrachtet, wird ein viel geringerer Anteil der Augenoberfläche der Vögel den Luftströmungen ausgesetzt, als dies bei Menschen geschieht. Folglich gibt es weniger Fläche, auf der Tränenflüssigkeit verdunsten könnte. Vögel sind uns Menschen gegenüber bei starkem Gegenwind also im Vorteil.

Diese Schlangenweihe (Spilornis cheela) hat keine Augenkrankheit. Das Foto entstand in dem Sekundenbruchteil, als der Vogel seine transparenten dritten Augenlider, die Nickhäute, geschlossen hatte. © Gaby Schulemann-Maier
Diese Schlangenweihe (Spilornis cheela) hat keine Augenkrankheit. Das Foto entstand in dem Sekundenbruchteil, als der Vogel seine transparenten dritten Augenlider, die Nickhäute, geschlossen hatte. © Gaby Schulemann-Maier

Ein weiterer Aspekt ermöglicht es den Vögeln, ihre Augen feucht zu halten und bei hohen Geschwindigkeiten immer gut sehen zu können. Sie haben anders als wir Menschen nicht nur zwei Augenlider, sondern noch ein drittes, die sogenannte Nickhaut. Es handelt sich dabei um eine bei den meisten Vogelarten transparente Membran, die sich diagonal schließt. Vögel können sie im Bruchteil einer Sekunde öffnen und schließen, dabei aber durch die transparente Schicht hindurch ihre Umgebung weiterhin wahrnehmen. Mit der Nickhaut können sie ihre Augen schützen und bei Bedarf befeuchten, während sie fliegen.

Die Bewegungen der Nickhaut sind sehr schnell, sie verlaufen meist in Sekundenbruchteilen. Deshalb sind die Nickhäute bei Vögeln meist nicht zu sehen. Mitunter sind sie aber auf Fotos zu sehen und es erweckt dann den Anschein, als hätte der jeweilige Vogel eingetrübte Augen. In Wahrheit ist aber meist alles in bester Ordnung mit seinen Sehorganen.


Warum wackeln Tauben beim Gehen mit dem Kopf?

Beim Laufen wackeln Tauben permanent mit dem Kopf, um ihre Umgebung scharf sehen zukönnen, © Alois_Wonaschuetz / Pixabay
Beim Laufen wackeln Tauben permanent mit dem Kopf, um ihre Umgebung scharf sehen zukönnen, © Alois_Wonaschuetz / Pixabay

Um das Kopfwackeln einiger Vogelarten beim Gehen ist in der Vergangenheit ein wissenschaftlicher Streit entbrannt. Noch immer ist nicht ganz geklärt, ob nur ein Grund oder mehrere Ursachen hinter diesem Verhalten stecken. Einig sind sich die Biologen aber zumindest in einem Punkt: Tauben, Hühner und einige weitere Vogelspezies nehmen ihre Umwelt beim Laufen mit Hilfe mehr oder minder rhythmischer Kopfbewegungen scharf abgebildet wahr.

Der Schlüssel zum Verständnis dieser Tatsache liegt im Körperbau der Tiere. Betrachtet man als Beispiel den Kopf einer Taube, fällt die seitliche Position der Augen auf. Auch die Anatomie der Augäpfel selbst ist bei Vögeln anders als beim Menschen. Vogelaugen sind enorm groß, man sieht außen nur einen kleinen Teil der Augäpfel aus dem Schädel hervortreten. Hühnervögeln ermöglicht ihre besondere Stellung der Augen zum Beispiel eine 340-Grad-Rundumsicht – ein für den Menschen geradezu unvorstellbar großer Winkelbereich.

Dieser Vorteil in Sachen Weitwinkelblick geht jedoch mit einem entscheidenden Nachteil einher. Den Vögeln fehlt die Fähigkeit, ihre Pupillen rasch hin und her zu bewegen, wie es uns Menschen problemlos möglich ist. Während wir von links nach rechts oder oben nach unten schauen können, ohne den Kopf zu bewegen, müssen die Vögel aufgrund des geringen Bewegungsspielraums ihrer Pupillen den gesamten Kopf bewegen. Damit die Vögel beim Laufen permanent ein scharfes und stabiles Bild ihrer Umgebung wahrnehmen können, müssen sie folglich den gesamten Augapfel und somit den ganzen Kopf entsprechend mitführen. Was uns Menschen auf den ersten Blick seltsam erscheint, ist somit für die Vögel ein überlebenswichtiger Trick, beim Laufen im wahrsten Sinne des Wortes nicht den Überblick zu verlieren. Und je schneller die Vögel laufen, desto schneller wackeln sie mit dem Kopf.

Haushühner gehören zu den Vögeln, die beim Gehen mit dem Kopf wackeln, © Gaby Schulemann-Maier
Haushühner gehören zu den Vögeln, die beim Gehen mit dem Kopf wackeln, © Gaby Schulemann-Maier

Im Detail betrachtet läuft der Prozess so ab: Machen die Vögel mit einem ihrer Beine einen Schritt nach vorn, bewegen sie ihren Körper dabei ebenfalls in diese Richtung. Der Kopf bleibt dabei zunächst in seiner ursprünglichen Position, er fällt quasi hinter der Bewegung des Körpers zurück. Noch hat sich das Bild der Umgebung der Vögel aus ihrer Perspektive nicht bewegt, es ist nach wie vor scharf und stabil geblieben. Bewegt ein Vogel anschließend den zweiten Fuß einen Schritt nach vorn, folgt nicht nur der Körper, sondern auch der Kopf, damit der Hals nicht extrem nach hinten gebogen werden muss. Diese korrigierende Bewegung des Kopfes erfolgt sehr rasch beziehungsweise ruckartig, um dem Tier so schnell wie möglich eine neue stabile und scharfe Abbildung seiner Umgebung zu ermöglichen, sobald der Kopf in der neuen Position zur Ruhe gekommen ist.

Einige Wissenschafter vermuten übrigens, dass während der raschen Kopfbewegung keine Bildwahrnehmung stattfindet. Träfe diese Annahme zu, wäre das Auge dann quasi „blind“, um das Gehirn nicht mit unscharfen Sehreizen zu überfluten und zu verwirren. Gesichert ist diese These aber derzeit nicht.

Eine weitere Theorie der Forscher bezieht die sogenannte Bewegungsparallaxe mit ein, die das räumliche, also dreidimensionale Sehen maßgeblich beeinflusst. Folglich hätte das Kopfwackeln nicht nur eine bildstabilisierende Wirkung und wäre für die Vögel von sehr großer Bedeutung. Aufgrund der bereits weiter oben erwähnten fehlenden Fähigkeit, die Pupillen schnell bewegen zu können, entsteht erst durch das Wackeln mit dem Kopf eine Bewegungsparallaxe.

Auch Bachstelzen (Motacilla alba) wackeln beim Gehen mit dem Kopf, © Vitalii Khustochk via Flickr
Auch Bachstelzen (Motacilla alba) wackeln beim Gehen mit dem Kopf, © Vitalii Khustochk via Flickr

Bewegt sich ein Beobachter – in diesem Fall ein Hühnervogel oder eine Tabe -, so bewegen sich die von ihm betrachteten Objekte je nach ihrer Distanz vom Beobachter unterschiedlich schnell in die entgegengesetzte Richtungen vor dem sehr fernen, anscheinend stehenden Horizont oder Hintergrund. Dabei gilt: Je näher ein Objekt ist, desto schneller bewegt es sich entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung durch das Blickfeld des sich bewegenden Beobachters. Weiter entfernte Objekte scheinen entsprechend langsamer vorüberziehen. Dieser Effekt ist uns Menschen beispielsweise von einer Fahrt über die Autobahn bekannt, da bei solch extremen Geschwindigkeiten unsere Fähigkeit, die Pupillen beim Fixieren nah gelegener Objezte mitzubewegen, an ihre Grenzen stößt. Die Büsche neben der Leitplanke rasen vorbei, währen sehr weit entfernte Bäume sich nur langsam aus unserem Blickfeld zu bewegen scheinen – so in etwa stellt sich die Situation für Vögel beim Laufen dar.

Ließe sich die Bewegungsparallaxen-These bestätigen, würde dies in Bezug auf das Sehen der Vögel bedeuten, dass sie durch das Kopfwackeln beispielsweise einen weit entfernten Baum aufgrund seiner anscheinend langsamen Geschwindigkeit sehr leicht von einem nahen Futterbrocken unterscheiden könnten.

Dass Hühnervögel, Tauben, Stelzen und andere Vögel, die beim Gehen mit dem Kopf wackeln, dieses Verhalten beim Fliegen nicht zeigen, liegt übrigens daran, dass sie sich während des Fluges auf weiter entfernte Objekte konzentrieren. Wie weiter oben anhand des Autobahn-Beispiels erläutert, ziehen diese jedoch nur langsam vor dem weit entfernten Horizont entlang und es bedarf deshalb keiner ständigen Korrektur der Augen- und somit Kopfposition.