Anzeichen für Erkrankungen bei Wildvögeln

Kranke junge Mönchsgrasmücke in einem künstlichen Nest, © Martin Amann
Kranke junge Mönchsgrasmücke in einem künstlichen Nest, © Martin Amann

Um bei Wildvögeln Gesundheitsstörungen erkennen zu können, ist es unerlässlich, das jeweilige Tier kontinuierlich aufmerksam zu beobachten. Vögeln sind Krankheiten oft erst anzumerken, wenn man nicht mehr viel zu ihrer Genesung beitragen kann, da sich die Tiere von Natur aus Schwächen möglichst nicht anmerken lassen. Verzögerungen in der Behandlung führen daher nicht selten rasch zum Tod des Patienten. Umso wichtiger ist es, einen kranken Vogel schnell zu erkennen und im Idealfall anhand der Symptome Rückschlüsse auf die möglichen Krankheitsursachen ziehen zu können.

Sie erfahren auf dieser Seite mehr über die aufmerksame Beobachtung sowie die fachkundige Untersuchung eines Wildvogels, um selbst eingreifen zu können, falls ein Tier Hilfe benötigt.


Aufmerksames Beobachten eines Vogels

Richten Sie beim aufmerksamen Betrachten eines Vogels ihr Augenmerk auf die im Folgenden genannten Aspekte, denn sie können wichtige Indikatoren für eine vorliegende Erkrankung sein.

Aufgeplustertes Gefieder

Aufgeplustert und geschwächt ist dieser weibliche Haussperling, © dimitrisvetsikas1969 / Pixabay
Aufgeplustert und geschwächt ist dieser weibliche Haussperling, © JosepMonter / Pixabay

Sitzt der Vogel über einen langen Zeitraum an derselben Stelle und bewegt er sich kaum, kann das ein Alarmsignal sein. Verhält er sich stundenlang extrem ruhig und hält er dabei sein Gefieder aufgeplustert, ist er höchstwahrscheinlich krank. Das gilt umso mehr, wenn er sich am Tage so verhält und viel schläft. Steckt er obendrein über längere Zeiträume tagsüber seinen Kopf unter das Federkleid, ist dies ein untrügerisches Anzeichen für eine vorliegende Erkrankung. Doch warum plustern Vögel ihr Gefieder auf, wenn sie krank sind? Wenn Vögel krank sind, bekommen sie kein Fieber wie wir Menschen, sondern leiden an Untertemperatur und frieren. Sie plustern deshalb ihr Federkleid auf, um sich mit der zwischen den einzelnen Federn eingeschlossenen Luft wärmen zu können.

Welche Körperhaltung nimmt der Vogel ein?

Typische Körperhaltung, aufgeplustert und mit Buckelbildung, eines kranken Wildvogels, © Christa und Walter Demel
Typische Körperhaltung, aufgeplustert und mit Buckelbildung, eines kranken Wildvogels, © Christa und Walter Demel

Liegt eine körperliche Schwächung oder Krankheit vor, stehen die betroffenen Tiere häufig breitbeinig, bilden einen Buckel, sträuben das Gefieder oder legen den Kopf nach hinten ins Federkleid. In vielen Fällen zittern oder taumeln die Vögel oder sie atmen schwer. Dies ist am Wippen des Schwanzes im Takt der Atmung zu erkennen.

Die Augen werden dabei in der Regel geschlossen oder nur wenig geöffnet. Insgesamt wirken die Tiere apathisch. Man kann sich ihnen bis auf kurze Distanz nähern, sie unternehmen keine Fluchtversuche. Falls dies doch geschieht, wirken die Bewegungen oft unkoordiniert und kraftlos.

 

Junger Haussperling mit Beinfehlstellung, © Kathrin Springer
Junger Haussperling mit Beinfehlstellung, © Kathrin Springer

Gesunde Vögel schlafen nachts meist auf einem Bein stehend. Wird aber ein Bein tagsüber immer wieder eingezogen beziehungsweise geschont, so könnte der Fuß oder das Bein erkrankt beziehungsweise verletzt sein. Vögel, die Probleme haben, ihr Gleichgewicht zu halten, stehen dagegen meist auf beiden Beinen und schlafen auch so. Dasselbe gilt für geschwächte Vögel, sie können meist nicht mehr auf einem Bein stehend schlafen. Wirkt die Körperhaltung  ungewöhnlich, weil die Gliedmaßen verdreht aussehen (siehe Abbildung Beinfehlstellung), liegt mit Sicherheit eine Erkrankung vor. Das Tier hat dann höchstwahrscheinlich einen Knochenbruch oder eine ähnlich gravierende Verletzung erlitten.

Atmet der Vogel schwer oder normal?

Hat ein Vogel Schwierigkeiten beim Atmen, holt er meist pumpend Luft, wobei er mit dem Schwanz wippt. Oder er öffnet bei jedem Atemstoß gar den Schnabel. Eventuell gibt er zudem rasselnde Geräusche beim Atmen von sich. Beobachten Sie diese Symptome, könnte eine Erkrankung der Atmungsorgane vorliegen.

Junge Elster mit Luftsackriss, © Dr. Michael Täschner
Junge Elster mit Luftsackriss, © Dr. Michael Täschner

Probleme mit der Atmung können außerdem mit Schwellungen am Körper einhergehen. Befinden sich am Rücken oder an den Seiten des Körpers große Blasen, könnte eine Verletzung der sogenannten Luftsäcke vorliegen. Diese Bestandteile des Atmungssystems der Vögel befinden sich direkt unter der Haut und blähen sich auf, wenn sie reißen oder perforiert werden. Die Schwellungen sind oft so stark, dass die Haut extrem aufgebläht ist und die Federn weit auseinander stehen. Deshalb ist die nackte Haut zu sehen.

Wie sehen die Ausscheidungen des Vogels aus?

Vögel scheiden Kot und Urin aus derselben Körperöffnung aus, sie wird als Kloake bezeichnet. Für gewöhnlich werden sowohl der Kot als auch der Urin gleichzeitig in mehr oder minder festen Kotballen vom Körper ausgeschieden. Je nachdem, wie sich die Vögel ernähren, sind diese Kothäufchen beschaffen. Der Kot von Körnerfressern ist von dickbreiiger bis fester Konsistenz. Die Farbe hängt ebenfalls unter anderem von der aufgenommenen Nahrung ab. Sie kann dunkelgrün (meist der sogenannte Hungerkot am Morgen), braun oder schwärzlich sein. Auf dem Kothäufchen sitzt bei den meisten Vogelarten aus der Gruppe der Körnerfresser gewöhnlich ein Klecks aus weißem, leicht flüssigem Harn.

Dagegen sind die Ausscheidungen von Weichfressern weich bis dünnflüssig, wobei der Kot- und der Harnanteil jedoch deutlich zu unterscheiden sind. Manche Wasservogelarten, darunter beispielsweise Möwen, scheiden hingegen weißen, flüssigen Kot und Urin aus.

Vogelkot, der so aussieht, deutet auf massive Verdauungsstörungen hin, © Vanessa Franz
Vogelkot, der so aussieht, deutet auf massive Verdauungsstörungen hin, © Vanessa Franz

Weichen Konsistenz und Farbe der Kothaufen des von Ihnen beobachteten Vogels von der Norm ab, könnte eine Erkrankung der Verdauungsorgane vorliegen. Mit Durchfall hat man es häufig dann zu tun, wenn der dunklere Kotanteil flüssig ist. Dabei müssen jedoch zwei Fälle unterschieden werden. Ein gestresster Vogel scheidet vorübergehend sehr flüssigen Durchfall-Kot aus, was in aller Regel nicht besorgniserregend ist und sich rasch von allein normalisiert. Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen der Durchfall über einen längeren Zeitraum andauert, was oft ein Eingreifen erfordert. Es gibt eine Reihe von Erkrankungen, die bei Wildvögeln zu Durchfall führen können, beispielsweise Darminfektionen.

Aber Achtung, nicht alles, was auf den ersten Blick wie Durchfall aussieht, ist tatsächlich welcher. Ist lediglich der Harnanteil eines Kotballens flüssig, könnte eine Nierenerkrankung vorliegen.

Wie ist der Zustand des Gefieders?

Ist das Gefieder struppig und lückenhaft oder gibt es abgebrochene Federn? Hat der Vogel nicht enthülste nachwachsende Federn? Dies kommt vor, wenn ein Vogel wegen einer Verletzung oder Behinderung nicht in der Lage ist, sich mit dem Schnabel zu putzen.
Oder zeigen manche Federn seltsame Verfärbungen? Falls eine oder mehrere dieser Fragen mit Ja beantwortet werden müssen, könnte eine Erkrankung des Federkleids vorliegen.


Untersuchung eines Vogels

Kranker Waldkauz, © Anke Dornbach
Kranker Waldkauz, © Anke Dornbach

Ist der Vogel sehr scheu und lässt er sich nicht von Ihnen in die Hand nehmen, müssen Sie ihn für die Untersuchung dennoch vorsichtig einfangen. Dies funktioniert bei einem Vogel in Menschenobhut am besten, indem man zuvor die Futternäpfe sowie einige der Sitzstangen aus dem Käfig entfernt und den Raum abdunkelt. Dann nähern Sie sich dem Vogel leise und vorsichtig mit Ihrer Hand und ergreifen ihn möglichst rasch von hinten.

Einem Vogel im Freien, der krank wirkt, sollte man sich vorsichtig und ohne hektische Bewegungen nähern. Es kann helfen, blitzschnell ein dünnes und leichtes Stück Stoff wie eine Jacke über das Tier zu werfen. Anschließend ist der Vogel sehr vorsichtig in die Hand zu nehmen. Hat man das Tier eingefangen, kann es mit der Untersuchung losgehen. Folgende Dinge sollten Sie überprüfen:

Wie ist der Ernährungszustand des Vogels?

Um zu überprüfen, ob ein Vogel möglicherweise unterernährt ist, nehmen Sie das Tier in die (bei Rechtshändern linke) Hand. Bringen Sie es in Rückenlage und fixieren Sie seinen Kopf zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Flügel sollten mit der Hand so fest umschlossen werden, dass sich das Tier nicht bewegen kann. Nur so können Sie gewährleisten, dass sich der Vogel nicht freizappeln und dabei unter Umständen an den Flügeln verletzen kann.

Taube bei einer Untersuchung, © Anke Dornbach
Taube bei einer Untersuchung, © Anke Dornbach

Achten Sie bitte unbedingt darauf, dass Sie nicht auf den Brustkorb des Vogels drücken, dies kann zu einem Atemstillstand und somit zum Tod führen. Der Brustkorb muss für den Vogel frei beweglich bleiben, denn nur so kann er atmen.

Bei manchen Vögeln reicht es aus, sie mit beiden Händen seitlich zu fixieren.

Blasen Sie nun das Federkleid am Bauch zur Seite und sehen Sie sich das sogenannte Brustbein des Vogels an. Das Brustbein ist ein senkrecht in der Mitte der Brust verlaufender Knochen. Bei einem gesunden Vogel ist es gut gerundet und glatt, es steht nicht spitz hervor. Ein spitzes Brustbein spricht dafür, dass der Vogel schon länger krank und/oder unterernährt ist.

Gut sichtbar steht das Brustbein dieser völlig abgemagerten Dohle hervor, © Tierrefugium Weberg
Gut sichtbar steht das Brustbein dieser völlig abgemagerten Dohle hervor, © Tierrefugium Weberg

Da in solchen Fällen die Verdauung durch den Futtermangel schon fast um Erliegen gekommen ist und der betroffene Vogel vor Schwäche oft nicht mehr in der Lage ist, zu fressen oder zu trinken, muss als erste Hilfsmaßnahme nicht etwa Futter und Wasser verabreicht werden, sondern Wärme. Eine in ein weiches Tuch gewickelte, mit warmem Wasser gefüllte Wärmflasche – notfalls geht auch eine PET Flasche – sorgt dafür, dass die Körpertemperatur wieder ansteigt. Niemals dürfen unterkühlte Vögel gefüttert werden oder gar Wasser verabreicht bekommen! Häufig sind subkutane (unter die Haut gespritzte) Infusionen durch einen vogelkundigen Tierarzt oder eine versierte Pflegestelle notwendig, bis der Vogel wieder soweit stabil ist, um ans Fressen oder Trinen zu denken.

In manchen Fällen haben die Tiere noch Appetit und können selbst fressen, was für die Vögel erheblich angenehmer ist, weil es mit weniger Stress verbunden ist. In manchen Fällen sind die in Not geratenen Vögel jedoch dermaßen krank und geschwächt, dass sie vom Menschen zwangsernährt werden müssen, um eine Überlebenschance zu haben. Hierbei wird zunächst mit ganz kleinen Portionen begonnen und  abgewartet, bis der Vogel festen Kot abgesetzt hat, bevor die Futtermenge nach und nach gesteigert wird.


Wie sieht die Kloake des Vogels aus?

Mit grünem Kot verklebte Kloake bei einem Kernbeisser, © Anke Dornbach
Mit grünem Kot verklebte Kloake bei einem Kernbeißer, © Anke Dornbach

Falls die Kloake (Ausscheidungsöffnung am hinteren Körperende) gerötet oder verschmutzt ist, könnte es sich um eine Verdauungsstörung, Kloaken- oder Darmentzündung handeln. Derlei Erkrankungen des Verdauungstraktes bedürfen für gewöhnlich einer sofortigen Behandlung. Hinter manchen Verschmutzungen der Kloake stecken jedoch keine Darmentzündungen, sondern eine Infektion der Nieren oder Harnwege. Auch ein Befall mir Innenparasiten kommt in Frage. Der Kernbeißer auf der Abbildung litt unter starkem Kokzidienbefall. Deshalb sollte auf alle Fälle ein fachkundiger Tierarzt eine sichere Diagnose stellen, falls Sie einen Vogel mit verschmutzter Kloake in Ihrer Obhut haben.

Kotuntersuchungen und Abstriche

Einige Krankheitserreger können durch die Untersuchung des Kotes oder durch einen Kloaken- beziehungsweise Kropfabstrich nachgewiesen werden. So lassen sich beispielsweise Kokzidien, Bakterien, manche Viren, Pilze, Darmparasiten und Chlamydien nachweisen, indem der Kot untersucht wird. Mit Hilfe von  Kropfabstrichen erkennen Tierärzte zum Beispiel Infektionen mit Trichomonaden (kleine Geißeltierchen, die im Körper der Vögel leben, siehe Kapitel über innere Parasiten).

Der Tierarzt muss jedoch wissen, wonach er suchen soll. Daher ist er auf Ihre Informationen und Beobachtungsberichte angewiesen. Scheuen Sie sich also nicht, dem Tierarzt alles zu nennen, was Ihnen aufgefallen ist. Machen Sie sich am besten Notizen, bevor Sie den Vogel zum Arzt bringen. Ein guter Tierarzt wird sich über ihre engagierte Mitarbeit in aller Regel freuen und anhand Ihrer Beobachtungen leichter eine Diagnose stellen können.