Biologischer Pflanzenschutz

Blattläuse gehören in Gärten zu den meist nicht sehr gern gesehenen tierischen Bewohnern, © Gaby Schulemann-Maier
Blattläuse gehören in Gärten zu den meist nicht sehr gern gesehenen tierischen Bewohnern, © Gaby Schulemann-Maier

In einem vogelfreundlichen Garten kann es wie in einem konventionell gepflegten Garten zuweilen zu einer Invasion von Schädlingen kommen, die man im Sinne der Pflanzengemeinschaft und der Vögel möglichst rasch vertreiben sollte. Hierbei ist es jedoch von großer Bedeutung, nach Möglichkeit auf den Einsatz der „chemischen Keule“ zu verzichten, und das natürlich ebenfalls im Sinne der Vögel. Würde man in einem Garten großzügig mit Gift arbeiten, würden die toxischen Stoffe in die Nahrungskette gelangen und letztlich den gefiederten Bewohnern schaden, die in der Nahrungskette recht weit oben angesiedelt sind. Außerdem widerspricht der Einsatz von Giften dem Grundprinzip eines naturnahen Gartens, zumal es obendrein naturverträgliche Möglichkeiten gibt, mit denen sich Blattläuse und Co. loswerden lassen.

Die Wanderfalken (Falco peregrinus) wären in Deutschland vor einigen Jahrzehnten infolge der negativen Einflüsse von Pestiziden beinahe ausgestorben, © Jamie Chavez via Flickr
Die Wanderfalken (Falco peregrinus) wären in Deutschland vor einigen Jahrzehnten infolge der negativen Einflüsse von Pestiziden beinahe ausgestorben, © Jamie Chavez via Flickr

Dass Insektizide den Vögeln auf unerwartete und erschreckende Weise schaden können, zeigte sich vor einigen Jahrzehnten. Ein allzu sorgloser Einsatz von DDT führte in den 1970er und 1980er Jahren dazu, dass die in Deutschland damals bereits selten gewordenen Wanderfalken verseuchtes Futter zu sich nahmen. Das Gift lagerte sich in den inneren Organen der Vögel ab und führte bei den Weibchen dazu, dass sie sehr dünnschalige Eier legten. Manche Altvögel kamen durch Probleme bei der Eiablage ums Leben, denn wenn beispielsweise ein Ei im Legedarm platzt, weil die Schale zu zerbrechlich ist, kann dies zu schweren inneren Verletzungen führen – das Vogelweibchen erleidet starke Schmerzen und verblutet. Andere Wanderfalken-Weibchen harrten wochenlang auf einem Gelege aus, das dennoch niemals Jungtiere hervorbrachte, da durch die dünnen Schalen Bakterien in die Eier gedrungen waren oder das Innere der Eier längst vertrocknet war. Unzählige Eier gingen darüber hinaus während der Brutzeit zu Bruch, da sie aufgrund ihrer dünnen Schale dem Gewicht des brütenden Altvogels nicht gewachsen waren. Infolge dieser Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels galt der Wanderfalke in Deutschland bald als nahezu ausgestorben. Glücklicherweise hat sich sich die angeschlagene Population inzwischen wieder erholt, was nicht zuletzt auf eine gewachsene Sorgfalt im Umgang mit Pestiziden zurückzuführen ist.

Kohlmeisen sind während der Brutsaison eifrige Raupensammler, © Norbert Wittekopf
Kohlmeisen sind während der Brutsaison eifrige Raupensammler, © Norbert Wittekopf

Die Probleme der Wanderfalken mögen für einen Gartenbesitzer weit weg erscheinen, da sie einerseits der Vergangenheit angehören und andererseits Tiere betreffen, die in den meisten Gärten ohnehin nicht vorkommen. Aber auch heimische Singvögel können leicht Opfer groß angelegter, nicht durchdachter Giftattacken gegen Schädlinge werden. Jedes Jahr im April und Mai kommt es naturgemäß zu einem vermehrten Auftreten von Raupen. In so manchem Garten scheinen diese Insektenlarven in regelrechten Invasionstrupps aufzutauchen. Es ist kein Zufall, dass Vögel wie die Kohl- und Blaumeisen zeitgleich mit dem Massenauftreten der Raupen ihre Jungen großziehen. So manches Meisenpaar füttert seine Nestlinge nahezu ausschließlich mit Raupen – und wirkt somit der „Plage“ auf natürliche Weise entgegen.

Werden Jungtiere wie diese junge Kohlmeise von ihren Eltern mit Insekten gefüttert, die mit Pestiziden vergiftet wurden, überleben die Vogelküken dies oft nicht und auch viele Altvögel sterben unter Qualen infolge von Vergiftungen, © Frans Persoon via Flickr
Werden Jungtiere wie diese junge Kohlmeise von ihren Eltern mit Insekten gefüttert, die mit Pestiziden vergiftet wurden, überleben die Vogelküken dies oft nicht und auch viele Altvögel sterben unter Qualen infolge von Vergiftungen, © Frans Persoon via Flickr

Wem dieser Zusammenhang nicht klar ist, der könnte rasch ungewollt zum Meisen-Massenmörder werden. So mancher Gartenbesitzer will der alljährlichen Raupenplage Einhalt gebieten und vergiftet die Krabbeltiere – mit dem Resultat, dass die Meiseneltern emsig todbringende Nahrung in den Schlund ihrer Nachkommen schieben. Nach wenigen Stunden setzen bei den Jungtieren die ersten Vergiftungserscheinungen ein, die sich zum Beispiel durch Erbrechen, Krämpfe und schwere Lähmungen äußern. Oft ist der qualvolle Todeskampf der Jungtiere erst nach bis zu zwölf Stunden vorüber. Die beschriebenen tödlichen Vergiftungen treten nicht nur bei Meisen auf, sondern ebenso bei Rabenvögeln auf, die im Siedlungsraum für ihren Nachwuchs ebenfalls häufig Insekten in Gärten erbeuten.

Dem Wildvogelhilfe-Team ist ein tragischer Fall bekannt, in dem in elf Meisennestern insgesamt 103 Küken binnen zwei Tagen aufgrund eines solchen – sehr wahrscheinlich unnötigen – Insektizideinsatzes ums Leben kamen. Auch fünf Altvögel verstarben, weil sie die vergifteten Raupen gefressen hatten. Erst als der Verursacher dieses Massensterbens mit etlichen Vogelleichen konfrontiert wurde, war er überhaupt dazu bereit, zuzuhören – und später mehr als bestürzt über das, was er unbeabsichtigt angerichtet hatte. Zumal die insgesamt 108 verstorbenen Meisen vermutlich nur die Spitze des Eisbergs gewesen sind und in der Umgebung noch weitere unentdeckte tote Vögel gelegen haben.

Als Naturschützer und -liebhaber sollte man es gar nicht erst so weit kommen lassen und gegen ein vermehrtes Aufkommen von Schädlingen im eigenen Garten mit biologischen Mitteln vorgehen. Da in jedem gesunden Ökosystem ein Gleichgewicht zwischen Fressen und Gefressenwerden herrscht, haben Schädlinge natürliche Feinde. Solche Nützlinge im Garten anzusiedeln, ist demnach erheblich sinnvoller und schonender, als vorschnell zur Giftflasche zu greifen.


Was sind Schädlinge?

Erwachsene Gefurchte Dickmaulrüssler (Otiorhynchus sulcatus) fressen halbkreisförmige Einbuchtungen in Blattränder diverser Zier- und Nutzpflanzen, die Larven dieser Käferart schädigen die Wurzeln, © Gaby Schulemann-Maier
Erwachsene Gefurchte Dickmaulrüssler (Otiorhynchus sulcatus) fressen halbkreisförmige Einbuchtungen in Blattränder diverser Zier- und Nutzpflanzen, die Larven dieser Käferart schädigen die Wurzeln, © Gaby Schulemann-Maier

Die Natur selbst teilt Tiere nicht in Kategorien wie schädlich, harmlos oder nützlich ein. Es handelt sich hierbei um eine von Menschen gemachte Kategorisierung, die unsere Sichtweise widerspiegelt. Weil es in unserem Interesse ist, die von uns gepflegten Pflanzen möglichst unbehelligt wachsen und gedeihen zu sehen, empfinden wir alles als schädlich, was diesen Zustand gefährden könnte. Schädlinge sind nach dem Verständnis der Menschen demnach Tiere, die sich von Pflanzenfasern und -teilen ernähren und somit die Pflanzen schädigen. Manche Schädlinge haben sich auf eine einzige Pflanzenart spezialisiert, andere verzehren mehrere, meist verwandte Pflanzenarten. Die dritte Gruppe der Schädlinge ist wenig wählerisch, sie vertilgt so ziemlich alles, was ihr vor die nimmersatten Mäuler gerät.

Ein Großteil der Schädlinge gehört zu den Insekten. Sowohl Alttiere manche Alttiere fressen Pflanzenteile, zum Beispiel Blattkäfer, als auch die Larven etlicher Insektenarten. Gefräßige Larven sind unter anderem die Raupen von Schmetterlingen oder Blattwespen, sie schädigen eine Reihe von Pflanzenarten. Auch die Larven mancher Blattkäferarten können für in Gärten gepflegte Pflanzen zum Problem werden. Manche Wanzen und Zikaden saugen Pflanzensäfte und können den Gewächsen bei massenhaftem Auftreten schaden, dies gilt ebenfalls für Blattläuse und Schildläuse. Weitere Schädlinge stammen aus den Reihen der Spinnentiere: die Spinnmilben.


Was sind Nützlinge?

Unter dem Begriff Nützlinge, der wie die Bezeichnung Schädlinge von der Sichtweise der Menschen geprägt ist, versteht man diejenigen Tiere, die in einem Ökosystem, das sich im Gleichgewicht befindet, die natürlichen Gegenspieler der Schädlinge sind. Nützlinge sind für den Menschen daher von großem Nutzen und sollten möglichst gezielt in einem naturnahen Garten angesiedelt werden, um einer Invasion von Schädlingen vorzubeugen oder entgegenzuwirken.


Beispiele für Nützlinge im Naturgarten

Einer der wohl prominentesten und gleichermaßen beliebtesten Nützlinge ist der Siebenpunkt-Marienkäfer (Coccinella septempunctata, Infos zum Insekt des Jahres 2006 vom Julius-Kühn-Institut). Viele Menschen – allen voran Hobbygärtner – wissen, dass sich die hübschen Käfer, die auf ihren roten Flügeldecken schwarze Punkte tragen, von Blattläusen ernähren. Deshalb sind diese Marienkäfer meist gern gesehene Gäste in deutschen Gärten. Vor allem ihre Larven sind sehr hilfreich im Kampf gegen Blattläuse, weil sie sie in großen Mengen vertilgen und dabei meist noch hungriger sind als die erwachsenen Käfer. Neben dem Siebenpunkt-Marienkäfer gibt es noch weitere Marienkäferarten und deren Larven, die sich von Blattläusen ernähren, darunter der Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis), der einst zur natürlichen Schädlingsbekämpfung in Gewächshäusern eingeführt wurde und in die Natur entkommen konnte. Inzwischen sind diese aus Asien stammenden Marienkäfer bei uns in Deutschland teils sogar noch häufiger anzutreffen als unsere einheimischen Arten.

Auch Gemeine Florfliegen (Chrysoperla carnea s.l.) stehen im Dienst der Menschen, weil sie sich von Schädlingen ernähren – dies gilt allerdings nur für die Larven dieser Tiere, die erwachsenen Individuen verzehren Nektar, Honigtau und Pollen. Leider haben die grünen Fluginsekten aufgrund ihres wenig ansprechenden Aussehens leider einen deutlich geringeren Sympathiefaktor an als die Marienkäfer. Aber ein Nützling muss unserer Ansicht nach keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, um in einem naturnahen Garten wohnen zu dürfen, sollte man meinen. Gemeine Florfliegen lassen sich abends vom Licht anziehen und gelangen dann häufig in Wohnungen. Indem man sie behutsam mit einem Glas und einen Blatt Papier einfängt, kann man sie wieder zurück in den Garten bringen.


Wie kann man Nützlinge ansiedeln?

Zweipunkt-Marienkäfer (Adalia bipunctata), © Gaby Schulemann-Maier
Zweipunkt-Marienkäfer (Adalia bipunctata), © Gaby Schulemann-Maier

Um Nützlinge im eigenen Garten heimisch zu machen, ist es erforderlich, für sie einen naturnahen Lebensraum zu schaffen. Wer einen vogelfreundlichen Naturgarten pflegt, hat demnach die Basis für eine erfolgreiche Ansiedlung von Nützlingen bereits gelegt. Wenn man diese Tiere schnell benötigt, weil sich Schädlinge breitgemacht haben, ist es am einfachsten, Nützlinge im Fachhandel zu kaufen und im Garten freizulassen.

Manche Großgärtnereien bieten gängige Nützlinge zum Verkauf an. Es gibt neben Florfliegen- und Marienkäferlarven auch verschiedene andere Nützlinge, darunter Raubwanzenlarven. Diese Nützlinge sind relativ gängig und deshalb sogar in vielen Gartencentern leicht zu finden. Will man jedoch eine ein wenig ausgefallenere Art wie zum Beispiel die Schlupfwespe Aphidius ervi erwerben, die ebenfalls Jagd auf Blattläuse macht, muss man sich in aller Regel an einen Fachhändler wenden. Ein Breites Sortiment an Nützlingen sowie Zubehör zur Zucht jener kleinen Helferlein bietet die re-natur GmbH auf ihrer Website an.


Gefahrenquelle Gelbtafeln

Rotkehlchen mit Leim eines Fliegenfängers im Gefieder, © Sylvia Urbaniak
Rotkehlchen mit Leim eines Fliegenfängers im Gefieder, © Sylvia Urbaniak

Wer in seinem Garten Parasiten wie zum Beispiel Rhododendronzikaden oder Ähnliches bekämpfen möchte, sollte mit dem Anbringen sogenannter Gelbtafeln oder Gelbsticker sowie anderer selbstklebender Hilfsmittel vorsichtig sein. Kleine Singvögel können sich an den klebrigen Tafeln verfangen und dadurch ihr Gefieder beschädigen. Der Leim lässt sich aus den Federn nur schwer wieder entfernen. Noch dazu kann es zu Verletzungen der Flügel kommen, wenn die Tiere versuchen, sich zu befreien. In unserer Rubrik über Vogelkrankheiten können Sie im Kapitel über Krankheiten und Veränderungen des Gefieders nachlesen, welch verheerende Wirkung der Leim solcher oft als harmlos dargestellten Schädlingsbekämpfungsmittel haben kann.