Haussanierung und Haussperlinge

Gastbeitrag von Barbara Wachowiak, Barb’s Bio, Juni 2007 (mit Bildmaterial anderer Fotografen)

Weiblicher Haussperling, © dimitrisvetsikas1969 / Pixabay
Weiblicher Haussperling, © dimitrisvetsikas1969 / Pixabay

In meinem alten, sanierungsbedürftigen Haus haben früher viele Hausspatzen ihr Zuhause gefunden. Momentan ist die Zeit, in der die Vögel ihre Familien großziehen – und mein Haus/Denkmal steckt mitten in einer Haussanierung. Letzte Woche hat die Dachsanierung begonnen. Gearbeitet wurde also genau dort, wo die Vögel zuhause sind …

Die Handwerker hatten von mir gleich die Anweisung erhalten, mir Bescheid zu geben, wenn ihnen ein Nest mit Jungvögeln auffällt. Glücklicherweise existierte zu dieser Zeit nur ein Nest mit Jungen. Was tun? – Das war für mich die Frage, denn die Eltern können ihre Jungen am besten aufziehen und sollten dabei eigentlich nicht gestört werden. Außerdem können sie ihrem Nachwuchs zeigen, wie es im Leben weitergeht und vieles mehr. Aber das Nest war für uns von unten mit der Leiter unerreichbar. Bei aller Mühe, die wir uns gaben – das Nest konnte dort nicht bleiben, während das Dach saniert würde.

Genau dort, wo die Jungen saßen, würde also am Montag, den 18.6.2007, gearbeitet werden. Wie sollte ich die Jungvögel bloß retten? Die Dachsanierung aufzuschieben, war leider nicht möglich. Ich hatte das schon einmal tun müssen, weil meine Mieter die Sanierung behindert hatten und obendrein auch noch zwei Jahre keinen Cent bezahlt hatten. Da kann sich vermutlich jeder denken, dass es endlich weitergehen musste. Trotzdem war ich ratlos, wie wir das anstellen sollten, ohne den Haussperlingen zu schaden.

Wir wollten also beides: Das Haus sanieren, aber auch die Hausspatzen-Familie nicht außer Acht lassen. Mir ging durch den Kopf, dass es für die Vögel in freier Natur nichts Wichtigeres gibt als „DAS ÜBERLEBEN und DIE FORTPFLANZUNG“. Da kam mir der Einfall, dass mein Schlafzimmer unmittelbar unter dem Nest liegt und ich es von dort aus erreichen könnte. So kam ich zu der Entscheidung, die Jungen aus dem Nest zu nehmen, sie in einen Käfig zu setzen und diesen in meinem Schlafzimmer dicht am geöffneten Fenster zu platzieren. Ich legte ein Tuch so darauf, dass sie keinen Zug bekommen konnten. Dann wollte ich schauen, ob die Eltern ihren Nachwuchs finden würden. Notfalls hätte ich die Jungvögel selbst von Hand großgezogen.

Da ich die Kleinen am Abend aus ihrem Nest genommen hatte, habe ich sie noch schnell mit Futter versorgt, nachdem die aufgeregten Jungvögel sich beruhigt hatten. Das hat zum Glück ganz gut geklappt. Der Kleinste hat am meisten gefressen.

Männlicher Haussperling, © marioschulz / Pixabay
Männlicher Haussperling, © marioschulz / Pixabay

Am nächsten Morgen, es war ein Samstag, hatte ich Zeit, nach ihnen zu sehen. Ich habe als erstes probiert, die Kleinen zu füttern. Das war gegen 7 Uhr. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Älteste ganz gut fraß, der Kleinste plötzlich aber nur eher halbherzig Nahrung aufnahm. Bei mir tauchte die Frage auf: „Na, haben die Eltern sie etwa schon gefunden?“

Als ich dann den dritten im Bunde zur Fütterung in die Hand nahm, dieser aber so tat, als wenn ich ihn mit der Nahrung vergiften wolle, war mir schon irgendwie klar, dass da bereits jemand zwischgefunkt hatte. Und tatsächlich: Als ich ihn zurück in den Käfig brachte, saß der Herr Papa auf dem Gerüst vor dem Fenster und hat geschimpft wie ein Spatz, ohne Punkt und ohne Komma.

Fette Beute für den Nachwuchs: Haussperling mit Langfühlerschrecke, © Michael Sveikutis via Flickr
Fette Beute für den Nachwuchs: Haussperling mit Langfühlerschrecke, © Michael Sveikutis via Flickr

War das ein tolles Gefühl, als die Natur mir sagte, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, die Küken in den Käfig zu setzen! Fortan haben sich die Spatzen ihrer Familie angenommen. Ich habe noch einen Futternapf mit Waldvogelfutter vor dem Käfig angebracht, quasi als kleine Unterstützung.

Man will es nicht glauben, aber es ist wahr: Die Spatzenmutter kommt mit Nahrung an, verfüttert sie und versorgt sich dann selbst mit Futter aus dem Napf und gibt es weiter. So wie es die Kleinen eben brauchen. Ich glaube, das können wir nie so abschätzen wie die Spatzeneltern. Wenn ich im Bett liege und am Morgen durch die Fütterungsarie wach werde, kann ich heimlich beobachten, wie tüchtig gefüttert wird. Denn es ist eine ganze Menge Arbeit, drei Junge zu füttern! Drehe ich mich im Bett um und die Eltern bekommen das mit, werde ich beschimpft vom Feinsten. Also muss ich das Feld räumen. Der größte Jungvogel war am Samstagabend schon ausgeflogen, sodass nur noch zwei da waren.

Am Dienstag, den 19.06.2007, konnte ich beobachten, dass der Zweitälteste seinen ersten Ausflug startete. Erst landete er auf einer meiner Pflanzen, dann auf eine anderen, und Mutter musste immer sehen, wie sie zu ihm gelangte. Doch abends war er wieder bei seinem Geschwisterchen.

Weiblicher Haussperling, © stux / Pixabay
Weiblicher Haussperling, © stux / Pixabay

Aber schon am Mittwoch, den 20.06.2007, ist er wieder rausgeflogen. Mittags habe ich die Eltern mit zwei Jungvögeln im Ahornbaum auf meinem Hof beobachten dürfen. Der Kleinste hat gestern einmal auf der Käfigtür gesessen und sich füttern lassen. Wenn man zu klein ist, muss man halt noch ein bisschen warten mit dem ersten Ausflug. Deshalb ist er wieder in den Käfig gegangen.

Heute Abend sitzt der Kleine ganz allein brav im Käfig und ich gehe davon aus, dass er noch etwa zwei Tage dort verbringen wird. Ich bin glücklich, dass meine Idee Erfolg hatte und ich so den drei Jungvögeln die Möglichkeit gegeben habe, weiterzuleben und evtuell ein langes Leben in Freiheit zu führen.

Selbstverständlich werde ich zusehen, dass genügend Nistplätze angebracht werden, nachdem das Haus saniert worden ist, damit die Spatzen hier auch weiterhin ein Zuhause haben.

Haussperlinge auf einer Hecke, © Peggy_Marco / Pixabay
Haussperlinge auf einer Hecke, © Peggy_Marco / Pixabay

Warum wollte ich Euch diese Spatzengeschichte erzählen? Ganz einfach: Egal, welchem meiner Kunden (ich führe einen Naturkostladen in Velten) ich alles erzählt habe, jeder war überrascht darüber, dass die Eltern ihre Kinder wiedergefunden haben und nicht nur versorgen, sondern auch verteidigen. Das zeigt mir, dass erheblich zu viele Menschen den Bezug zur Natur sowie das Verständnis dafür verloren haben. Führen wir sie doch wieder an die Faszination Leben/Natur heran, dann werden wir Menschen vielleicht wieder natürlicher, denn auch wir gehören eigentlich dazu, obwohl wir meinen, wir könnten Gott spielen.

Viele Rechnungen dafür haben wir schon erhalten, was mir meine Arbeit im Naturkostladen zeigt. Wir würden besser daran tun, verantwortlich mit uns und der Natur umzugehen, als zu glauben, was die Weltwirtschaft uns zu verkaufen versucht, egal, in welcher Richtung.