Jungvogel gefunden – was ist zu tun?

Sie haben ein Vogelküken gefunden und fragen sich, was zu tun ist? Das Wichtigste vorweg: Nicht immer, wenn ein Jungvogel draußen gefunden wird, benötigen die Tiere tatsächlich menschlichen Beistand. Oftmals fällt es dem Finder schwer, die Situation richtig einzuschätzen. Deshalb werden leider sehr viele vermeintlich in Not geratene Jungvögel unnötig von ihren Eltern getrennt. Wir verraten Ihnen, was Sie tun sollten, wenn Sie einen Vogel gefunden haben.

Dieser Hausrotschwanz gehört noch ein paar Tage ins Nest, © Louisa Lämmle
Dieser Hausrotschwanz gehört noch ein paar Tage ins Nest, © Louisa Lämmle

Die wichtigste Regel ist: Grundsätzlich brauchen gefundene Küken, die noch nicht vollständig befiedert sind, Ihre Hilfe. Man erkennt sie daran, dass noch einige Federn in den Hülsen stecken oder die Vögel noch nackte Stellen aufweisen, an denen die Federn ganz fehlen. Ohne ein vollständiges, fertig ausgebildetes Gefieder kann der Vogel nicht fliegen und auch seine Körpertemperatur nicht halten. Meistens stehen sie in diesem Entwicklungszustand auch noch nicht sicher auf beiden Beinen, sondern liegen mit angewinkelten Beinen auf den „Hacken“. Ohne die Eltern, die ihn mit Futter versorgen, ist ein solcher Jungvogel in Not.

Ebenso brauchen junge Mauersegler und Schwalben, egal welchen Alters, die am Boden gefunden werden, grundsätzlich menschliche Hilfe.

 

Amsel-Ästling, © Anett Ebert
Amsel-Ästling, © Anett Ebert

Hingegen sollten Sie gesund wirkende Jungvögel, die bereits ein vollständiges Gefieder haben und kurze Strecken fliegen sowie sicher auf beiden Beinen stehen und hüpfen, am Fundort belassen. Ihre Eltern sind in der Nähe und suchen nach Futter, mit dem sie die Jungen auch außerhalb des Nestes versorgen.

Jungvögel vieler Vogelarten verlassen das Nest, sobald ihre Federn fertig ausgebildet sind. Sie sind dann reif für den nächsten Entwicklungsschritt, auch wenn sie auf den Menschen noch hilflos oder gar zutraulich wirken, als würden die Vögel Hilfe suchen. Oftmals können sie in den ersten Tagen noch nicht sicher fliegen, sondern nur kleine Strecken flatternd zurück legen. Das genügt jedoch häufig, um sich in einem Gebüsch oder anderswo in Sicherheit zu  bringen und sich zu verstecken. Dieses Verhalten ist lebenswichtig, denn wenn ein Räuber das Nest mit den Jungen entdeckt, wird er alle Jungen töten. Verteilen sich die Jungen hingegen an verschiedenen Orten, ist die Chance, dass einige diese kritische Phase überleben, deutlich höher. Deshalb und weil sie das Fliegen üben müssen, verlassen Jungvögel das Nest an einem bestimmten Zeitpunkt.

Bei manchen Vogelarten verlassen die Jungvögel bereits voll flugfähig das Nest. Dies ist vor allem bei Höhlenbrütern, wie Meisen, Staren oder auch Sperlingen der Fall. Selbstverständlich durchlaufen auch diese Arten eine Ästlingsphase, während der sie außerhalb des Nestes von ihren Eltern mit Futter versorgt werden. Sollten diese jedoch nicht in der Lage sein, sich zumindest über einige Meter fliegend in ein Gebüsch zu retten, benötigen sie ebenso menschlichen Beistand.

Im Folgenden stellen wir Ihnen einige Maßnahmen vor, die Sie ergreifen können und sollten, falls Sie einen Jungvogel gefunden haben. Unsere Checkliste soll Ihnen die Entscheidung darüber erleichtern, wie Sie weiter vorgehen sollten. Dabei zeigen wir einige verschiedene Szenarien auf:

Elterntiere können es immer besser, aber wir können uns bemühen, © Dagmar Offermann
Elterntiere können es immer besser, aber wir können uns bemühen, © Dagmar Offermann

Nackter oder kaum befiederter Jungvogel

Etwa sieben Tage alte Mönchsgrasmücke, © Anett Ebert
Etwa sieben Tage alte Mönchsgrasmücke, © Anett Ebert

Sie haben einen sehr jungen Vogel entdeckt, der kaum oder gar keine Federn hat und der hilflos auf dem Boden liegt; es handelt sich hierbei um einen sogenannten Nestling. Er benötigt dringend Ihre Hilfe, denn außerhalb des Nestes wird er nicht von seinen Eltern gefüttert oder gewärmt. Außerdem ist er Fressfeinden schutzlos ausgeliefert. Der beste Ort für einen solchen Vogel ist das Nest der Eltern, dort hat er die größten Überlebenschancen.

Generell wäre es das Beste, die nähere Umgebung sorgfältig absuchen und den Jungvogel vorsichtig wieder ins Nest setzen, sofern er unverletzt ist. Doch laut deutschem Gesetz ist es verboten, die Nester von Vögeln zu berühren und so eine Störung der brütenden Vögel zu verursachen. Man befindet sich also in einer gesetzlichen Zwickmühle. Falls Sie sich dazu entscheiden, den gefundenen Jungvogel ins Nest zu setzen, achten Sie bitte unbedingt darauf, dass die Altvögel dies nicht sehen. Wenn sie gerade beide unterwegs sind, um Futter für den Nachwuchs zu sammeln, haben sie ihr Nest vorübergehend nicht im Blick.

Junger Spatz mit Hämatom, © Margareta Michna
Junger Spatz mit Hämatom, © Margareta Michna

Beinbrüche, Luftsackrisse oder Hämatome sind hin und wieder Verletzungen, die durch einen Sturz hervor gerufen werden können. Bei Verletzungen bitte hier lesen, was zu tun ist.

Nur in eindeutigen Notsituationen, beispielsweise falls das Nest durch ein Unwetter zerstört wurde oder nachweislich beide Elternteile um Leben gekommen sind oder man die Tiere nicht störungsfrei wieder ins Nest setzen kann, können und sollten die Jungvögel in menschliche Obhut genommen werden. Leider kommt es auch mitunter vor, dass das Nest sehr ungünstig gelegen und somit für den Menschen sogar mit einer Leiter nicht erreichbar ist. Auch in diesem Fall sollten Sie sich des gefundenen Jungvogels annehmen.
Sollten Sie das Nest nicht gleich oder gar nicht finden, nehmen Sie den Jungvogel bitte sofort in Ihre Obhut und wärmen Sie ihn, damit er nicht auskühlt.

Wichtiger Hinweis: Die Eltern werden den Nachwuchs weiterhin versorgen, denn es spielt keine Rolle, ob er von Menschen berührt wurde oder nicht. Der Geruchssinn der Vögel ist nicht so hoch entwickelt, als dass der Geruch nach „Mensch“ sie davon abhalten würde, ihren Nachwuchs zu versorgen.

Vollständig befiederter Jungvogel

Sie haben einen jungen Vogel entdeckt, der schon vollständig befiedert ist und der allein auf dem Boden oder in einem Gebüsch sitzt; es handelt sich sehr wahrscheinlich um einen sogenannten Ästling und nicht mehr um einen Nestling. Zwar macht der gefundene Jungvogel einen gesunden Eindruck. Sie hegen jedoch Zweifel darüber, ob er von den Eltern versorgt wird. Verstecken Sie sich in diesem Fall so weit entfernt wie möglich und beobachten Sie den Jungvogel mindestens eine Stunde lang, besser zwei Stunden. Ruft er laut, so wird nach einiger Zeit ein Elternteil mit Futter herbei eilen. Meist werden die Ästlinge dann plötzlich sehr aktiv, wenn es darum geht, von den Eltern Futter zu erhalten. Haben Sie dies beobachtet, können Sie sicher sein, dass der kleine Vogel keineswegs verlassen worden ist und auch nicht krank ist. Er braucht somit keine menschliche Hilfe.

Diese vollständig befiederte junge Amsel kann bereits kurze Strecken fliegen, wird aber noch von ihren Eltern gefüttert, © Gaby Schulemann-Maier
Diese vollständig befiederte junge Amsel kann bereits kurze Strecken fliegen, wird aber noch von ihren Eltern gefüttert, © Gaby Schulemann-Maier

Und noch etwas ist wichtig: Vollständig befiederte Jungvögel verlassen das Nest also oft schon, bevor sie sicher fliegen und sich selbst versorgen können. Sie halten sich normalerweise in der Nähe des Nestes auf und werden dort wie bereits erwähnt von ihren Eltern gefüttert. Solche Jungvögel sollte man deshalb nicht zurück ins Nest setzen, denn sie würden es ohnehin bald wieder verlassen und eventuell noch im Nest sitzende jüngere Geschwister könnten dadurch erschreckt und zu früh aus dem Nest getrieben werden.

 

 

Mauersegler (Apus apus), © ForgottenGenius via Flickr
Mauersegler (Apus apus), © ForgottenGenius via Flickr

Achtung: Eine Ausnahme bilden Alpen- und Mauersegler. Am Boden aufgefundene Segler – egal ob alt oder jung – sind immer in akuter Not und bedürfen menschlicher Hilfe. Wie man jungen Mauerseglern helfen kann, erfahren Sie im Kapitel über die Aufzucht dieser Vögel.

Auch junge Mehlschwalben und Rauchschwalben, die Sie am Boden finden, benötigen höchstwahrscheinlich Ihren Beistand. Wie Mauersegler sind auch sie in ihren Anforderungen sehr speziell, weshalb wir entsprechende Informationen über die artgerechte Pflege junger, hilfsbedürftiger Rauch- und Mehlschwalben in einem gesonderten Kapitel für Sie zusammengetragen haben.

Ebenso werden junge Wildtauben am Boden oftmals nicht weiter von den Eltern versorgt.

 

Wichtiger Hinweis: Rückführungsversuche nur mit vollständig befiederten, gesunden und fitten Ästlingen unternehmen. Auf keinen Fall noch unbefiederte oder teilweise befiederte Nestlinge nach draußen stellen und auf Versorgung durch die Eltern hoffen!

Jungvogel an einem gefährlichen Ort gefunden

Sitzt ein Jungvogel an einem offensichtlich gefährlichen Ort – dies kann beispielsweise der Rand einer Straße sein -, nehmen Sie ihn vorsichtig hoch und setzen Sie ihn an einen sicheren Ort, also zum Beispiel in ein Gebüsch.

Bitte beachten Sie: Im Unterschied zu vielen Säugetiereltern nehmen Vögel ihren Nachwuchs weiterhin an, obwohl man ihn mit seinen Händen berührt hat (siehe oben)! Es ist ein populärer Irrtum, dass Vögel ihren Nachwuchs verstoßen, wenn er von Menschen angefasst wurde.

Man sollte einen Jungvogel in einem Umkreis von maximal 20 Metern rund um den Fundort wieder absetzen, denn dieser Bereich befindet sich innerhalb des Areals, in dem die Elterntiere ihr Junges vermuten. Durch ihr lautes Rufen machen die Jungvögel ihre Eltern rasch auf sich aufmerksam und werden dann normalerweise weiterhin von ihnen mit Nahrung versorgt.


Verletzter Jungvogel gefunden

Spatzennestling mit Luftsackriss und gebrochenem Bein, © Anke Dornbach
Spatzennestling mit Luftsackriss und gebrochenem Bein, © Anke Dornbach

Falls Sie draußen einen Nestling gefunden haben, der sich zum Beispiel beim Sturz aus dem Nest verletzt hat, wäre es sehr wahrscheinlich das sichere Todesurteil für das Tier, es seinem Schicksal zu überlassen. Sogar dann, wenn man den verletzten Nestling zurück ins Nest setzt, sind seine Überlebenschancen in aller Regel denkbar gering. Der Grund dafür ist, dass viele Verletzungen zu einer lebenslangen Behinderung führen, wenn sie nicht behandelt werden. Ein gehandicapter Vogel hat in freier Natur jedoch nur eine äußerst geringe Lebenserwartung. Ein verletzter Jungvogel sollte deshalb idealerweise in menschlicher Obhut gepflegt und vor allem von einem Tierarzt versorgt werden, damit das Tier nach seiner Genesung ausgewildert werden kann und in der Natur überlebensfähig sein wird.


Ihre Katze hat einen Jungvogel nach Hause gebracht

Diese Katze hatte zum ersten Mal Freigang und brachte nach nur fünf Minuten den ersten getöteten Singvogel mit, © Urban Gazelle via Flickr
Diese Katze hatte zum ersten Mal Freigang und brachte nach nur fünf Minuten den ersten getöteten Singvogel mit, © Urban Gazelle via Flickr

Im Idealfall sollten Katzenhalter in der Jungvogelzeit, also von Mitte März bis Mitte September, die heimische Vogelwelt schützen, indem sie Ihren Tieren keinen Freigang gewähren. Da diese Tierschutzmaßnahme von den meisten Katzenhaltern jedoch bedauerlicherweise strikt abgelehnt wird, kommt es immer wieder vor, dass Hauskatzen mehr oder minder schwer verletzte Jungvögel, gelegentlich auch Altvögel, mit nach Hause bringen.

Ist dies geschehen, handelt es sich in den allermeisten Fällen um einen akuten Notfall. Auch wenn äußerlich zunächst keine auffälligen Verletzungen sichtbar sein mögen, so kann sogar der kleinste Riss in der Haut des Vogels zur Übertragung lebensgefährlicher Krankheitserreger (sogenannte Pasteurellen) über die Mundschleimhaut der Katze in den Körper des Vogels führen. Es ist häufig nötig, dass eine solche Infektion – sofern sie vorhanden ist -, von einem Tierarzt mit einem Antibiotikum behandelt wird. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie im Kapitel Verletzungen durch Säugetiere.


Ästling mitgenommen – was nun?

Junger Feldsperling (links) wird von einem Altvogel gefüttert, © Tanja Weise via NABU-naturgucker.de
Junger Feldsperling (links) wird von einem Altvogel gefüttert, © Tanja Weise via NABU-naturgucker.de

Eventuell haben Sie bei einem Spaziergang einen vermeintlich in Not geratenen, voll befiederten Jungvogel mitgenommen, weil Sie dachten, er würde dringend menschliche Hilfe benötigen. Haben Sie beim Lesen dieses Kapitels nun aber festgestellt, dass es sich um einen Ästling in der Bettelflugphase handelt, so können Sie die Situation wieder in Ordnung bringen, sofern Sie rasch handeln.

Altvögel suchen ihre verloren gegangenen Ästlinge bis zu 24 Stunden lang, erst dann geben sie ihren Nachwuchs auf. Bringen Sie den Ästling also am besten so schnell wie möglich wieder an genau die Stelle, an der Sie ihn gefunden haben. Warten Sie mindestens eine Stunde und schauen Sie, ob das Jungtier von seinen Eltern weiter gefüttert wird. Sollte dies der Fall sein, können Sie den Ästling getrost sich selbst überlassen. Findet hingegen keinerlei Fütterung durch Altvögel statt, war Ihre erste Eingebung wahrscheinlich doch richtig und der Vogel benötigt tatsächlich Ihre Hilfe.


Ammennester finden

Bei einigen Vogelarten ist es sinnvoll, nach dem Finden eines Jungvogels nach einem geeigneten Ammennest zu suchen. In ein solches kann der junge Vogel dann gesetzt werden. Je jünger das Vogeljunge ist, umso größer ist dabei die Aussicht auf Erfolg. Mit etwas Glück akzeptieren ihn die Ammeneltern und ziehen ihn mit auf. Insbesondere bei Schwalben ist dies die beste Vorgehensweise und der Handaufzucht durch den Menschen vorzuziehen.

Aber Achtung: Dies funktioniert nur in einigen Ausnahmefällen und nur bei wenigen Vogelarten und darf nur unter genauer Beobachtung und vorheriger Begutachtung des Vogels und des Ammennestes durch Fachpersonen geschehen.

Wichtig ist, ein geeignetes Nest zu finden, in dem dieselbe Vogelart mit Jungen in etwa im selben Alter heranwächst. Die Einsetzung des Jungvogels muss schnell und möglichst ohne große Unruhestiftung vonstatten gehen. Anschließend muss für mehrere Stunden beobachtet werden, wie die Eltern auf den Neuling reagieren. In etwa 70% der Fälle ist diese Methode erfolgreich, aber nicht immer.

Einsetzen einer jungen Mehlschwalbe in ein Ammennest, © Anke Dornbach
Einsetzen einer jungen Mehlschwalbe in ein Ammennest, © Anke Dornbach

Bitte kontaktieren Sie einen Tierarzt, der sich den Jungvogel ansieht, also bitte nicht eigenmächtig in ein Nest setzen und hoffen, dass damit alles gut ist.
Zunächst muss der Jungvogel genau untersucht werden, ob er verletzt ist oder mit Parasiten befallen ist. Ansonsten kann es sein, dass er ungewollt diese Parasiten in das Ammennest einschleppt. Außerdem muss absolut sicher sein, dass es sich um die richtige Vogelart handelt, also nicht aus Versehen ein Spatzenjunges in ein Schwalbennest setzen. Die im Ammennest befindlichen Jungvögel sollten in etwa in derselben Entwicklungsphase sein wie der Fundvogel.
In jedem Fall ist es wichtig, genau zu beobachten, ob der Jungvogel von den (fremden) Alttieren tatsächlich versorgt wird.
In der Stadt Erlangen gibt es zum Beispiel seit langem viele von Mehlschwalben bewohnte Kunstnester, die von Fachleuten betreut werden. Mit deren Hilfe und Beratung sind bereits sehr viele Jungschwalben erfolgreich von Ammeneltern aufgezogen worden. Die Abbildung zeigt eine solche Aktion in der Stadt Erlangen mit Hilfe des Erlanger „Storchenvaters“, der seit Jahrzehnten die Mehlschwalbennester in der Stadt betreut.

Doch Vorsicht: Vogelarten mit nur wenigen Jungen, wie zum Beispiel Amseln und Sperlinge, bemerken ein fremdes Junges in ihrem Nest meist. Sie werfen werfen es kurzerhand hinaus.

Natürlich muss das Ammennest der gleichen Vogelart entsprechen wie der gefundene Vogel.