Erstversorgung der Jungvögel

Junger Spatz wird mit Heimchen gefüttert, © Richard Rastetter
Junger Spatz wird mit Heimchen gefüttert, © Richard Rastetter

Rasche Hilfe ist in vielen Fällen überlebenswichtig und meist ist Improvisieren angesagt, um das Leben eines Vogelkindes zu retten. Denn nur selten hat man alle wichtigen Dinge vorrätig, wenn man völlig unverhofft einen in Not geratenen Vogel findet. Trotzdem sollten Sie einige wichtige Details immer berücksichtigen. Prüfen Sie zuerst, ob sich der Vogel kühl anfühlt. Wärmezufuhr ist am Anfang in vielen Fällen die wichtigste Hilfsmaßnahme. Erst wenn der Vogel wieder normale Körpertemperatur hat, können Sie daran denken, ihm etwas zu fressen zu geben, auch wenn er vielleicht herzerweichend betteln mag.

 

Die Atemöffnung befindet sich hinter der Zunge, © Ingrid Röschke
Die Atemöffnung befindet sich hinter der Zunge, © Ingrid Röschke

Einem Jungvogel Flüssigkeit einzugeben, kann sehr problematisch sein. Geben Sie ihm deshalb vorsichtshalber keine Flüssigkeit in den Schnabel. Junge Vögel – vor allem geschwächte Tiere – verschlucken sich sehr leicht. Gelangt Wasser in die Lunge, führt dies meist schnell zu einer Lungenentzündung und somit zum Tod. Im Idealfall erhält ein geschwächter Jungvogel, der zu wenig Flüssigkeit im Körper hat, also dehydriert ist, eine Infusion durch einen Tierarzt.

 

Ist der Fundvogel ausreichend gewärmt, kann mit der Fütterung begonnen werden. Versuchen Sie so schnell wie möglich, artgerechtes Futter zu besorgen, also Nahrung, die auf die jeweilige Vogelart abgestimmt ist.

 

 

Heimchen, © Anke Dornbach
Heimchen, © Anke Dornbach

Sollte ein Zoogeschäft in Ihrer Nähe geöffnet haben, besorgen Sie sich dort bitte Heimchen. Für noch kleine unbefiederte Nestlinge eignen sich ganz kleine Heimchen (Microheimchen), für etwas größere Jungvögel am besten mittelgroße (subadulte) Heimchen.
Bitte kaufen Sie nichts anderes und auf keinen Fall irgendwelches Trockenfutter wie beispielsweise Eifutter (dies ist kein Handaufzuchtfutter!), auch kein Insektentrockenfutter (zum Beispiel Nestlingsfutter).

Oder aber kontaktieren Sie eine Auffangstation. Wenn diese den Vogel nicht aufnehmen kann, hat sie in der Regel zumindest entsprechendes Futter vorrätig und kann im Notfall eventuell damit aushelfen.


Insekten beschaffen, wenn keine Geschäfte geöffnet sind

Die Jungtiere vieler Vogelarten lassen sich unter anderem mit Fliegen füttern, © Gaby Schulemann-Maier
Die Jungtiere vieler Vogelarten lassen sich unter anderem mit Fliegen füttern, © Gaby Schulemann-Maier

Ansonsten mobilisieren Sie alle Familienmitglieder und Freunde, Insekten zu fangen, beispielsweise Fliegen (keine bunt schillernden) und Grashüpfer. Welche Futtertiere geeignet sind und welche nicht, können Sie hier nachlesen. Bitte keine Regenwürmer und keine lebenden Fliegenmaden verfüttern, solange Sie nicht wissen, um welche Vogelart es sich handelt! Um es sich einfacher zu machen, kann man zum Beispiel Insekten durch Aufstellen von Tellerchen mit rohem Fleisch oder Süßem (Zuckerwasser) anlocken oder man geht in nahe gelegenen Ställen auf die Jagd.

Eine weitere Möglichkeit, kurzfristig Futter zu beschaffen, sind Köderautomaten vor Angelläden. Hier kann man unter anderem Maden bekommen, welche vor dem Verfüttern an Jungvögel allerdings erst durch Einfrieren und Abkochen präpariert werden müssen. Keinesfalls dürfen sie lebend gegeben werden. Wie man Maden vor der Verwendung als Futter behandeln sollte, haben wir hier beschrieben. Maden sind allerdings nicht als Alleinfutter geeignet, zum Überbrücken der Zeit, bis weitere Insekten beschafft werden, sind sie jedoch geeignet.

Wer einen Imker kennt oder in der Nähe hat, kann diesen auch um Drohnenbrut bitten, welche richtig vorbereitet ein sehr gutes Futter ist, allerdings nicht als Alleinfutter auf lange Sicht, da es zu fett ist.


Falsche Ernährung und ihre Folgen

Leider meinen einige Vogelfinder, es sei einfacher, einen jungen Wildvogel mit leicht zu beschaffender, allerdings ungeeigneter Nahrung zu füttern. Oder aber sie haben irgendwo gehört oder gelesen, jemand hätte erfolgreich einen Vogel mit Ei, Hackfleisch, Quark, Nestlingsfutter oder dergleichen aufgezogen. Es kursieren zudem im Internet und in sozialen Medien diverse Futterrezepte basierend auf den genannten Futtermitteln, von denen wir dringend abraten, da diese zu schwerwiegenden Schädigungen der Verdauungsorgane und des Gefieders führen können.
Die Bildersammlung auf dieser Seite soll die Auswirkungen falscher Ernährung verdeutlichen. Bitte beachten Sie, dass durch eine Fehlernährung entstehende Gefiederschäden in der Wachstumsphase sehr rasch eintreten und für den betroffenen Vogel nicht selten langfristig das Todesurteil bedeuten. Ein nicht perfekt flugfähiger Vogel ist draußen nicht überlebensfähig!


Sehr schwache und ausgehungerte Vögel

Ein großer, leider oft fataler Fehler ist die zu häufige und zu umfangreiche Fütterung am Anfang. Der gefundene Vogel ist meist bereits längere Zeit ohne Nahrung gewesen und sein empfindliches Verdauungssystem muss sich erst ganz langsam wieder an Futter – noch dazu ungewohntes – anpassen. Geben Sie dem Tier daher zunächst nur kleine Portionen und warten Sie ab, bis der Vogel sie verdaut und Kot abgesetzt hat. Egal wie stark sein Bettelgeschrei sein mag, halten Sie bitte die Pause zwischen den Fütterungen ( mindestens eine halbe Stunde) ein, um ihm Zeit zu geben, die Nahrung ausreichend zu verdauen.

Wirkt der Vogel stark dehydriert, ausgehungert und schwach, kann man ihm zunächst vorsichtig wenige Tropfen einer speziellen Elektrolytlösung wie Elotrans oder Oralpädon, die beide in der Apotheke erhältlich sind. Notfalls kann man auch eine Lösung selbst herstellen. Auf einen Liter abgekochtes und abgekühltes Wasser gibt man 6- 8 Teelöffel Trauben- oder Haushaltszucker und einen halben Teelöffel Salz. Flüssigkeit niemals in den offenen Schnabel, sondern tropfenweise von außen an den geschlossenen Schnabelrand geben.

Der sicherste Weg, Wildvögeln Wasser zu verabreichen, ist das seitliche Eingeben in den geschlossenen Schnabel, denn das Wasser sickert von selbst hinein, © Hans Schwarting via NABU-naturgucker.de
Der sicherste Weg, Wildvögeln Wasser zu verabreichen, ist das seitliche Eingeben in den geschlossenen Schnabel, denn das Wasser sickert von selbst hinein, © Hans Schwarting via NABU-naturgucker.de

Insbesondere für bis auf die Knochen abgemagerte Vögel ist eine solche Elektrolyt-Traubenzuckerlösung anfangs die einzige Nahrung, die sie erhalten dürfen, bis ihr Verdauungssystem wieder in Gang gekommen ist. Sehr gut geeignet ist hierfür Amynin oder Ringerlactat, welches am besten vom Tierarzt subkutan (unter die Haut) gespritzt und anschließend von Ihnen oral (außen an den Schnabelrand) eingegeben wird. Anfangs gibt man einmal pro Stunde, in sehr schlimmen Fällen sogar halbstündlich, ein oder zwei Tropfen der Lösung mit einer Pipette über den Schnabelrand ein. Nachts muss allenfalls einmalig Lösung verabreicht werden, vorausgesetzt, Sie halten sich an die Wachzeiten des Vogels (fünf Uhr bis circa 22.30 Uhr). Geht es dem Vogel besser, gibt man jede Stunde einen Tropfen Elektrolytlösung und ein kleines Futterinsekt, am besten ein Heimchen. Setzt der Vogel im Anschluss an diese Fütterung feste Kothäufchen ab, kann man zur Gabe des im Aufzuchtfutter-Kapitel und in den angegliederten Texten für die jeweilige Vogelart genannten Aufzuchtfutters übergehen.

Hinweis: Solche stark ausgehungerten Jungvögel sind darüber hinaus oftmals schwer unterkühlt. Wärmen Sie den Vogel zunächst, indem Sie ihn vorsichtig in beiden Händen halten und leicht anhauchen. Die Wärme Ihres Atems und Ihrer Hände dient zur Überbrückung der Zeit, bis Sie eine passende Unterbringung mit einer Wärmequelle gefunden haben; dieses Wärmen ist oftmals lebensrettend. Hauchen Sie den Vogel jedoch bitte nicht an, wenn Sie einen Infekt der Atemwege (Erkältung oder grippalen Infekt) haben.

Bereiten Sie dem ausgekühlten Vogel ein warmes, am besten mit Wollsocken ausgepolstertes Nest und legen Sie eine warme (nicht heiße!) Wärmflasche oder ein warmes SnuggleSafe darunter. Überprüfen Sie erst die Temperatur (32 bis 35°C), bevor Sie den Vogel in das Nest setzen.